Seifenblase

Die Wahrheit über mich wird immer klarer, offener, fühlbarer.

Die Kinder machen nicht das worum ich sie bitte, Tränen, ich habe einen harmlosen Termin, Druck und Krämpfe, ich bekomme keinen Parkplatz, Druck, Krämpfe und Tränen, ich habe einen schwierigen Termin, Schwindel, Übelkeit, Erbrechen. Der Körper spricht eine deutliche Sprache.

Was macht das mit mir?

Erleichterung, dass ich es endlich deutlich fühlen kann, dass ich mich nicht mehr fragen muss, was eigentlich mit mir los ist, wieso alles Mögliche zu anstrengend und kraftraubend ist. Weil ich meine ganze Kraft dafür aufbrauche diese Symptome zu unterdrücken und irgendwie weiterzumachen.

Und wenn ich jetzt reinfühle, ist da eine ganz tiefe Ruhe, ich muss mir nichts mehr vormachen, kein Bild mehr aufrechterhalten von jemandem dem alles nichts ausmacht, dem nichts etwas anhaben kann, der immer durchhält und sich zusammenreißt. Und auch nicht mehr vormachen, dass alles nicht so schlimm war.

Für mich war es schlimm, die Folgen zeugen davon. Und weil ich endlich alles fühlen kann, kann ich auch anerkennen wie schlimm alles war.

Die Stimme, die mir vorwirft, ich übertreibe gewaltig, dramatisiere dermaßen unverschämt, so schlimm sei das doch alles nicht gewesen, die ist schon noch da, aber ich glaube ihr nicht mehr, ich kann sie ganz klar als die Stimme meiner Mutter identifizieren, die damit versucht hat den Schein aufrechtzuerhalten.

Es gibt für mich verschiedene Aufgaben, wie das Positive wahrzunehmen und zu ankern, aber im Augenblick interessieren sie mich nicht.

Ich bin irgendwo angekommen wo es ganz still ist. Unendlich still. Seit ich heute morgen aufgewacht bin befinde ich mich dort. Still und schön und zart. Ich bin in einer kleinen Seifenblase inmitten des tobenden Sturms.

Ich kann die gewaltigen Luftmassen und fliegenden Gegenstände um mich herum sehen, aber sie erreichen mich nicht. Ich bin geschützt. Bei mir hier in der Seifenblase ist alles ruhig.

Mein Körper entspannt sich mehr und mehr, je länger ich hier bin. Ich kann alles fühlen, ich bin nicht abgeschnitten, aber all das Fühlen nimmt mir nicht die Ruhe.

Ich glaube das ist innerer Frieden. Mitten im Sturm. So fühlt sich das an, er existiert tatsächlich. Ich darf das jetzt erleben, so ganz unvermittelt, ich hatte mich ursprünglich zum Weinen hingesetzt.

Mir fällt die Karte ein, die ich gestern vor dem Schlafengehen noch gezogen habe: Genieße jede Erfahrung, das ist deine einzige Aufgabe, für den Rest ist gesorgt.

Genau so. Ich genieße meine Seifenblase und fühle, das sich alles von allein entwickelt. Ich muss nichts tun.

Familientrauer

Diffuses Unwohlsein. Schon damit aufgewacht.

Wie fühle ich das? Spannung im Magen, im Brustbereich, Kiefer und Stirn, nicht sehr stark aber ausreichend um mich zu beunruhigen. Oder auch Ausdruck einer Beunruhigung. Ich weiß es noch nicht.

Ich fühle weiter.

Kann ich denn nicht einfach nur leben? An den meisten Tagen brauche ich erst eine gründliche innere Pflege, bevor ich irgendetwas sinnvolles machen kann.

Die Alternative wäre darüber hinweggehen, aber das führt ins Nirgendwo, ins Essen oder Depression oder sonstwas noch Schlimmeres.

Es ist heute schwer. Außer der Spannung will sich mir nichts zeigen. Es kommt eine Welle spontanen Mitgefühls, ich werde innerlich weicher. Ich bleibe noch etwas dabei, vielleicht zeigt sich noch etwas.

Ich folge dem Körper, lasse den Druck und die Spannung machen was sie wollen, ich tanze innerlich mit und auch ein wenig äußerlich, es kommt Trauer, würgen, dann ein Bild. Ich sehe ein kleines Mädchen, vielleicht drei oder vier oder fünf, die hält krampfhaft fest an einer Liane, über einem Abgrund schwebend, das ist für sie Alltag.

‚Ich habe Angst vor dem Leben, ich habe so Angst vor dem Leben.‘

Ich schaue von Boden zu ihr hoch, sie hängt gar nicht so hoch, ich könnte sie problemlos da runter holen, das scheint sie nicht zu sehen.

Sie sieht den Boden nicht, für sie ist alles neblig, sei denkt sie schwebt irgendwo ganz weit oben.

Ich hingegen bin ganz nah, wenn ich mein Arme ausstrecke, könnte ich sie greifen. Aber das will ich gar nicht, ich traue mich nicht näher, ich habe nichts zu sagen was ihr die Angst vor dem Leben nehmen könnte. Hilfe!

Es kommt mein persönlicher Jesus, jung, schmächtig, in Jeans und einem dunkelblauen T-Shirt, mit halblangen braunen Haaren. Den kenne ich gut, er begleitet mich schon sehr lange, lebt auf einem Hügel in einem fernen Land, inmitten von ein paar Ruinen, umgeben von einer wunderschönen, grün-blau-gold schimmernden Weite. Wenn er kommt, bringt er seine Umgebung immer mit. So auch jetzt.

Links der Dschungel, die Liane, das Mädchen, der Nebel, rechts der Runinenhügel mit Panorama und dem persönlichen Jesus. Und ich mittendrin.

Jesus kommt und nimmt mich in den Arm: ‚Es ist alles in Ordnung‘, sagt er, ‚es ist alles in Ordnung‘. Und das ist ungemein tröstlich, immer wieder. Er sagt das nämlich jedes Mal wenn er kommt. ‚Auch wenn du nicht verstehst welche Ordnung alles hat, ist doch alles in Ordnung. Du kannst der Ordnung vertrauen.‘

Ich setze mich erschöpft auf den Boden. Das kleine Mädchen steigt von der Liane ab und setzt sich auf meinen Schoß.

Der Dschungel verschwindet, der Ruinenhügel samt Jesus auch, es bleibt eine weiße neblige Leere, brr, kalt und leer ist es, wir trösten und wärmen und gegenseitig. Das Mädchen setzt sich in meinen Bauch, da ist es warm und geschützt. Ich kann fühlen, wie sie entspannt.

Ich rutsche durch den weißen kalten Nebel in ein Loch, ich gleite immer tiefer, ich kann mich kaum noch festhalten, ich lasse los, ich falle in eine andere Welt, es ist dunkel, aber da ist auch Licht, Sterne und anderes buntes Licht, ich falle und falle und lande auf einem großen, weichen, weißen Trampolin, ich bleibe einfach auf dem Bauch liegen und schwinge ein wenig nach, irgendetwas warmes weiches deckt mich zu, ich rolle mich ein und schlafe weg, es gibt keine Lösung, ich spüre die Hoffnungslosigkeit und die Überforderung durch das Leben vollkommen, ich bin Hoffnungslosigkeit und Überforderung. Ich löse mich auf, ich werde schleimig, ich Schleim rutsche durch das Trampolinnetz, ich lande auf einem grauen Asphaltboden mitten in einer Stadt, ich wälze mich voller Freude auf diesem harten Boden, so wie meine Hunde sich in Rehkot wälzen. Ah, ah, ich schlängele mich da hinein, der harte Asphaltboden ist so angenehm, und jetzt drehe ich mich auf den Bauch und wälze mich weiter, ah, das ist so schön, ich genieße es richtig, ich gehe mit, innerlich und äußerlich, plötzlich hört es auf, ich sitze wieder an meinem Schreibtisch und fühle eine tiefe wortlose Trauer.

‚Ich will mich nicht so fühlen, diese Traurigkeit ist bedrohlich.‘

Warum eigentlich?

‚Ich weiß nicht.‘

Kannst du nicht in die Traurigkeit hineinschmelzen, wie der Schleim in den Asphalt?

‚Doch, stimmt, ich darf traurig sein, auch wenn ich nicht weiß wieso.‘

Ich tauche ein in das Gefühl, ich werde zur Traurigkeit, der ganze Körper wird schwer und zieht nach unten.

Auf einmal erscheinen meine Großeltern, meine Urgroßeltern und meine Eltern. Sie stehe stumm aufgereiht vor mir.

‚Ist das eure Traurigkeit, die auf mir lastet?‘

Sie nicken stumm im Chor.

‚Dann gebe ich euch hiermit alle Traurigkeit die zu euch gehört zurück.‘

Und dann überreiche ich jedem ein Tuch als Symbol für sein Traurigkeit. Je weiter ich in der Reihe fortschreite, desto mehr muss ich weinen, ich spüre diese unendlich große Familientrauer, die mich auch mit ihnen verbindet. Ja ich spüre sehr viel Mitgefühl für alle, für ihre schweren Schicksale und all ihr Leid. Ich kann den Schmerz eines jeden einzelnen nachfühlen und weine, und weine und weine.

Ich verbeuge mich spontan vor jedem Einzelnen und sage: ‚Es tut mir so leid für dich. Bitte gebe mich frei.‘ Und jeder streift daraufhin seine traurige erdrückende Hülle ab, wird zu der schönsten Ausgabe seiner selbst, Liebe strahlt aus ihren Augen und sie sagen: ‚Ich gebe dich frei.‘

Während all der Zeit weine ich alle Tränen aus mir raus, gleichzeitig bin ich fasziniert, wie schön jeder wird, wenn er seine Hülle abstreift.

In mir ist Frieden eingekehrt, die Trauer ist auch da, aber ich bin damit in Frieden. Und da ist ganz viel Mitgefühl für all die Schicksale und für mich.

Und jetzt merke ich, dass ich total hungrig bin.

Schwarzer Stachelkobold

Genau jetzt ist die Gelegenheit zu schauen was los ist wenn ich so gelangweilt und träge bin.

Kein Drama in Sicht, also Langeweile. Ich fühle.

Sofort fällt mir die Anspannung auf. Magen, Oberkörper, Kiefer, alles unter Spannung. Natürlich, die Anspannung ist ja immer da.

Denn eigentlich könnte ich total genießen, was ich mir immer so sehnlichst wünsche, kein Streß, kein Drama, kaum zu tun, wenn die Spülmaschine nicht zählt, ne, die zählt nicht, alle Kinder spielen, es sind Ferien, ich muss niemanden mit Hausaufgaben nerven, ein Idealzustand.

Und es passiert das, was immer passiert wenn der Idealzustand eintrifft, ich weiß nichts mit mir anzufangen.

Die Anspannung verhindert es, sie ist ja da, und da geht abhängen einfach nicht, also müsste ich etwas tun, finde aber nichts, habe auch zu nichts Lust, spüre auch, dass jetzt erholen dran ist, kann es aber nicht. Noch nie vorher habe ich so klar gefühlt, dass ich nicht entspannen kann, dass ich nicht einfach sein kann. Geht nicht.

Was ist, wenn ich es ganz bewusst sage: ‚Wir machen heute so richtig nichts mehr, nur noch Abendessen kochen.‘

Da zuckt es sofort, der Widerstand springt auf: ‚Das geht nicht.‘

Was soll das heißen?

‚Ich kann nicht nichts tun, ich kann nicht entspannen, ich kann nicht einfach rumhängen, das geht einfach nicht.‘

Ich sehe ein kleines schwarzes Wesen mit stacheligen abstehenden Haaren, ach jetzt weiß ich was es ist, es ist ein Kobold, das stapft ganz aufgeregt hin und her und gestikuliert und regt sich auf, irgendwie niedlich.

Warum nicht?

‚Ich weiß nicht wie das geht.‘

Würdest du denn gern entspannen?

‚Oh, ja, und wie, das wäre so schön, das ist mein größter Wunsch‘

Und weißt du denn, was dich daran hindert?

‚Es ist irgendwie gefährlich‘

Genauer? Was befürchtest du?

‚Ich weiß es nicht, es ist mir unmöglich meine Aufmerksamkeit abzuziehen und ein Stopp zu setzen. Stopp, jetzt ist Pause, das geht einfach nicht.‘

Kannst du es vielleicht einfach probieren, ich bin ja bei dir, damit wir vielleicht herausfinden was dann passiert?

‚Ok.‘

Der schwarze Stachelkobold rollt ich katzenartig zusammen, ich fühle wie er mit sich kämpft auch die Augen zuzumachen, sie gehen aber immer wieder auf, der ganze Körper bleibt unter Spannung.

Spontan lege ich eine Hand auf meinen Magen, da sitzt er nämlich der schwarze Stachelkobold, und er wird ein klein wenig weicher.

Ah, das scheint der richtige Weg zu sein. Je länger die Hand dort verweilt, desto weicher wird der kleine Kobold, in winzigen Schritten, lässt die Muskelspannung nach. Ich sehe meine Wasserfrau und meine Feuerfrau, oh und die Frau Angst ist auch da, sie alle genießen diese Berührung.

Ich fühle die Erleichterung des schwarzen Stachelkobolds, weil er nicht mehr allein ist, sprechen will er nicht mehr mit mir, dafür ist er gerade zu entspannt.

Und tatsächlich, mein ganzer Körper wird langsam weicher, millimeterweise weicher. Ich spüre eine angenehme Schwere, Ruhe, Frieden und nicht das allerkleinste Verlangen nach irgendetwas.

Wenn ich an meinen kleinen Kobold denke und ihn gedanklich streichle, dann kann ich auch beide Hände benutzen ohne dass die Anspannung Land gewinnt.

Das probiere ich jetzt beim Kochen aus.

Feuerfrau

Ich bin schon mit Übelkeit aufgewacht. Und Schwindel. Obwohl nichts ansteht. Dieses Tor ist wohl offen. Wir haben gestern in der Therapie auch noch daran gearbeitet.

Ich sehe sofort diese Kleine, vielleicht 1-2 Jahre alt, die sich an mich klammert und weint und nicht versteht wie das Leben geht. Sie ist in die Hölle gekommen, immer in Gefahr, egal was sie versucht es ist immer falsch. Sie begreift gerade, dass sie da nicht rauskommt. Ich übergebe mich, nüchtern, der Wahnsinn.

Ich habe mich bis zu meiner dritten Schwangerschaft niemals übergeben, auch nicht bei Magen-Darm-Infekten. Jetzt dämmert mir, Übelkeit und Brechreiz sind mein körperliches Symptom gewesen, mein ganz frühes Warnsystem, aber da das nichts brachte und alles nur noch schwerer machte, habe ich offenbar gelernt, das wirksam zu unterdrücken.

Jetzt folge ich dem Faden rückwärts und alles kommt ans Tageslicht. Ich halte die Kleine ganz fest, ich sage ihr, dass das vorbei ist, dass sie hier in Sicherheit ist und sich erstmal ausruhen darf, ohne das irgendwer draufhaut. Dass alles nicht ihre Schuld war, nicht ihr Versagen, die Welt in die sie hineinkam war so, jedem wäre es dort genau so ergangen wie ihr.

Wir kamen gestern in der Therapie auch noch an etwas anderes. Die absolute Abhängigkeit vom Drama. Sobald alles gut und zu bewältigen ist, sobald halse ich mir selbst das nächste auf, dass mich wieder in eine Überforderungssituation bringt, weil ich so viel Angst davor habe. Wenn ich es überstanden habe, dann suche ich mir das nächste usw.

Da ist also eine Kraft in mir, die mich immer dahin treibt, wenn ich nichts mache, dann langweile ich mich und bin frustriert. Es ist aber nicht so, dass dieses nichts tatsächlich nichts bedeutet, sondern etwas, dass mir keine Angst verursacht. Sobald ich eine Aufgabe einigermaßen entspannt ausführen kann langweilt sie mich. Und das war schon immer so, seit ich denken kann.

Gleichzeitig leide ich heftigst unter diesen Dramaperioden, je tiefer ich reingehe immer mehr. Irgendwo habe ich gelesen, dass frühkindliche Traumata die chronisch waren, wie z. Bsp. ein Entwicklungstrauma, dazu führen, dass man süchtig nach Drama wird, also nach diesem Zustand der totalen Anspannung und Panik, der Körper fordert es ein wie eine Droge.

Ich glaube nicht so sehr daran, dass es eine hauptsächlich körperliche Sache ist, obwohl die hormonellen Gegebenheiten sicher auch eine Rolle spielen, sondern dass es ein sehr starkes Muster ist, das automatisch anspringt.

Wobei das sehr miteinander verwurschtelt ist, weil es sicher auch eine Kraft gibt, die voran will, die etwas bewegen will. Und dann eine, die das Drama will.

So wie heute. Panik weil ein Bescheid von einer Behörde fehlerhaft war. Obwohl ich mit dem zuständigen Sachbearbeiter alles besprochen hatte und meinen Teil wie vereinbart erledigt habe. Und das lustigste, fehlerhaft zu unseren Gunsten.

Gestern Abend schon Panik deswegen, aber ich konnte so spät nicht mehr anrufen. Ein Zwang es richtig zu stellen, das Gefühl, es darf nicht so bleiben, Katastrophe! Genauer bekam ich es nicht zu fassen.

Heute morgen also den zuständigen Sachbearbeiter erreicht, der total entsetzt war, es war wohl ein Fehler seiner Vertretung, er konnte sich das nicht erklären, war sichtlich gepeint, hat sich tausendmal entschuldigt, hat sich tausendmal bedankt, dass ich mich gemeldet habe, ich hätte es auch einfach so zu unseren Gunsten stehen lassen können, oder überhaupt nicht bemerken können.

Da wurde mir wieder anschaulich vorgeführt, wie ich sofort die Schuld und die gesamte Verantwortung bei mir suche. Nur ich habe den Überblick, ich muss aufpassen, ich muss das gerade richten, und jede Minute in der das nicht möglich ist, wird mit Paniksymptomen bezahlt, selbst wenn es in Realität null Konsequenzen gibt.

Gibt es einen Weg aus der Hölle?

Ich stelle ein Symbol auf für das Drama. Mir schießt sofort das Blut in den Kopf.

Was ist deine Funktion, warum bist du da?

‚Ich bin die fehlgeleitete Kraft‘

Oh. Was soll das heißen?

‚Sie hat so unglaublich viel mehr Kraft und Lebendigkeit als sie lebt, das muss irgendwo hin. Die meiste Zeit hat sie das mit Extrem-Bewegung kompensiert, jetzt zunehmend mit Drama.‘

Aber verstehe ich das richtig, ob Bewegung oder Drama, es ist alles Kompensation?

‚Nein. Bewegung ist ein möglicher Ausdruck, aber nicht immer der angemessene, Drama ist Kompensation.‘

Ich verstehe nicht von welcher Kraft du sprichst.

‚Von der Lebenskraft‘

Kennst du den Mechanismus? Kannst du mir den erklären.?

‚Sie hat ganz schön viel Kraft mitbekommen von der Natur, viel viel Lebendigkeit. Und die durfte von Anfang an nicht sein, aus inzwischen wohlbekannten Gründen. Was konnte diese Kraft tun? Sie war und ist ja da. Also gab es ein einigermaßen geduldeten Ausdruck, Ballett, da konnte sie eine Weile lang hinfließen, dann die exzessive Sportzeit, und Extrem-Nachtleben, da konnte sie auch hinfließen, auf die Dauer ist es aber nicht der Weg. Das spürt sie ja, deswegen macht sie das auch nicht mehr. So und einen Ausdruck der Kraft, der nicht Extremsport oder Extremausgehen (eigentlich auch nur Dauertanzen) ist, hat sie nicht gefunden, sie hatte ja nie die Möglichkeit ihr freien Lauf zu lassen um zu sehen wie sie sich entfaltet. Aber die Kraft will sich bewegen, also gibt es die Dramen, die erzeugen auch ganz viel Bewegung, ganz viel Lebendigkeit, wenn auch unangenehme. Besser unangenehme Lebendigkeit als gar keine, ihre Lebendigkeit dauerhaft zu unterdrücken ist ihr nicht möglich, dazu hat sie zu viel davon.‘

Oh, das ist ja krass. Ich bin ja sprachlos. Was du alles weißt. Und nun, weiß du wie der nächste Schritt aussieht?

Ich sehe die Kraft vor mir, die Lebendigkeit, eine Frau mit feuerroter Mähne, die so intensiv ist, dass sie fast brennt. Ich kenne sie sogar schon, sie ist mir schon zweimal begegnet, ich nenne sie Feuerfrau.

Und du bist meine Kraft?

Ja.

Wie soll es weitergehen? Was brauchst du?

Ich bin zwar feurig und kraftvoll, aber ich bin auch total empfindlich und zerbrechlich und verwirrt. Ich bin viele Jahre geknechtet und geknebelt worden, dass ich zwar immer noch meine Intensität habe aber keine Richtung mehr. Fürs erste musst du mich einfach mitnehmen, bewusst in dein Leben nehmen, mich dabei sein lassen, ich muss erst aus der Verkleidung raus und sehen wie es ist. Mehr kann ich dir im Augenblick nicht sagen.

Ich bin unschuldig

Die Frau Angst ist wieder sehr mächtig.

Zittern, Magenkrämpfe, weiche Knie, so bin ich aufgewacht. Es ist als ob der Körper erst schlafen muss um die Energie für all die Angstsymptome zu sammeln.

Also, Frau Angst, was soll ich tun?

Kämpfe nicht. Fühle nur. Dann wir dir etwas gezeigt.

Hm. Was?

Das siehst du dann.

Und wie lange?

So lange es dauert.

Ha, ha.

Ok, also ich fühle.Ich tauche ein in den Strudel von Übelkeit und Schwindel und Schwinden. Ich würge und zucke. Zwischendrin merke ich wie der Widerstand automatisch versucht alles wegzudrücken. Es braucht eine bewusste Entscheidung es zuzulassen.

Ich halte das nicht aus, mich ständig so zu fühlen, ich drifte weg, es ist anstrengend. Dabei zu bleiben ist anstrengend. Kann ich nichts von mir wollen?

Wie wäre es wenn ich nichts von mir wollte?

Dann fange ich an mich aufzulösen, werde von Angst und Widerstand in Stücke gerissen. Jeder krallt sich ein Teil. Tränen kommen, sinnlose Situation. Nicht zu ändern.

Ich lege mir eine Hand auf die Brust und schenke mir selbst Mitgefühl, weil es einfach so verdammt Scheiße ist. Ich bin verdammt zu einem Leben in Angst.

Das Mitgefühl ist wie warmes Öl, das ich über meine Haut gieße, es umspült mich, es umschließt mich, es wärmt mich, es tröstet mich. Es gibt keinen Ausweg, aber es gibt Trost.

Und ich merke, Mitgefühl stellt sich erst ein, wenn ich die Hoffnung auf Beeinflussung der Situation völlig aufgegeben habe. Sonst steuert der Antreiber, der will, dass ich mich noch mehr anstrenge um das Problem zu lösen und der mir vorwirft mir nicht genug Mühe zu geben. Der gibt mir die Schuld, ja, der gibt mir die Schuld.

Aber ich habe keine Schuld. Aufgrund unzähliger Umstände, die ich alle nicht beeinflussen konnte geht es mir so, und es wird weiter so sein, dass ich mit unzähligen Umständen konfrontiert werde, die ich nicht beeinflussen kann. Und auch was es in Zukunft mit mir machen wird, ist nicht meine Schuld. Ob ich dann so, oder so oder so reagiere, das weiß ich nicht, und wie auch immer es sein wird, ich habe keinen Einfluss.

Dass ich mich dieser Tatsache nicht vertrauensvoll hingeben kann, das ist das Ergebnis meiner Geschichte auf dieser Welt, und auch das ist ein Umstand, den ich nicht beeinflussen konnte.

Wir Menschen sind dem Leben ausgeliefert, nackt und ungeschützt, egal was wir tun. Und wenn wir dem Leben nicht vertrauen, dann geht es uns eben so. Und dass wir dem Leben nicht vertrauen, das ist auch nicht unsere Schuld.

Aus dieser Perspektive ist es ganz leicht mir mit Mitgefühl zu begegnen, und ich merke, ich brauche dieses ganze Mitgefühl auch dringend, das hat es für mich nie gegeben. Nie.

Auch wenn ich schon hin und wieder auch getröstet worden bin, so doch nie ohne einen Spruch wie: ‚Das hast du jetzt davon.‘, ‚Das habe ich dir gleich gesagt.‘, ‚Warum musstest du auch…‘, ‚Stell dich nicht so an.‘ ‚Selber schuld.‘

Ja, tief eingegraben glaube ich, dass ich an meiner ganzen Misere selbst schuld bin, dass mir das alles wider besseren Wissens selbst eingebrockt habe und dafür sicher kein Mitgefühl verdiene sondern noch einen obendrauf, damit mir das ja nicht nochmal passiert und ich endlich daraus lerne.

Was für eine grausame Welt in mir drin.

Aber jetzt lege ich mir immer wieder die Hand auf die Brust und sage innerlich: ‚Ich bin unschuldig. Dass es mir so geht, geschieht ohne mein Zutun, ich kann es nicht beeinflussen, ich verdiene all mein Mitgefühl für meine schwere Situation.‘

Und, was soll ich sagen, das System beruhigt sich ein wenig. Und das ist viel, wo ich vorher schon kurz vom Brechen war und auf jeden Fall nicht in der Lage war aufrecht zu stehen.

Wer passt immer auf?

Ich halte fest, in ca. 7 Stunden habe ich Kurs und ich drehe noch nicht durch.

Aber gut fühle ich mich auch nicht. Was fühle ich eigentlich?

Stelle den Wecker auf 10 Minuten.

Müdigkeit, der ganze Körper sinkt nach unten. Aber im Kopf und im unteren Brustbereich, da sinkt etwas gar nicht, da blinken lauter kleine Lämpchen, sie können nicht sinken, sie passen auf.

Ich sehe eine Frau, sie ist in einer Art silberner Kleid-Rüstung angezogen, starr wie eine Puppe kann sie nichts bewegen außer ihres Kopfes. Den allerdings lässt sie in rhythmischen Abständen 360 Grad kreisen. Wiuung, wiuung, wiuung, macht es, alles wird abgescannt.

Sie ist voll und ganz in mir, ich spüre ihre Umrisse innerlich, und der Kopf pulsiert.

‚Hallo‘, sage ich.

‚Hallo‘, haucht sie schnell, ohne ihr gleichbleibend rhythmisches Kreisen zu unterbrechen.

Was machst du da?

‚Ich passe auf, was sonst.‘

Worauf?

‚Das nicht passiert.‘

Was kann denn passieren?

‚Alles mögliche, deswegen passe ich ja auf.‘

Oh. Und wenn du eine Gefahr erkennst, was machst du dann?

‚Keine Ahnung, ich kann nicht viel tun, ich bin ja starr.‘

Hat du schon mal eine Gefahr erkannt?

‚Ich kann mich nicht erinnern.‘

Du kannst dich nicht erinnern? Besonders effektiv scheinst du ja nicht zu sein.

‚Ich kann nicht anders, ich muss mich immer drehen.‘

Aber eigentlich willst du doch nicht mehr oder? Du weißt längst dass es nichts bringt, dass er nur anstrengend ist?

‚Ja, das weiß ich.‘

Auf einmal öffnet sich in meinem Bauch ein Abfluss, das Plastik schmilzt, die ganze Frau wird strudelartig in den Abfluss gesogen. Alles ist schon fast durch, nur der Kopf klebt noch hartnäckig an meinem Kopf fest, oder besser der Scheitelpunkt, ihr restlicher Kopf ist bis zum Bauchnabel langgezogen.

‚Ich will nicht gehen, ich will nicht gehen!‘

Du musst doch auch nicht gehen. Nur mit diesem schrecklichen Dauerscannen aufhören.

‚Ach so?‘

Das Abflussloch geht zu, Wasserpfützchen schwingen noch hin und her, von ihr ist nur der Kopf übrig, aus ihm wird ein kleines Wesen, das rollt sich zusammen und kuschelt sich in meinen Brustraum.

‚Ich muss mich erstmal ausruhen‘

Ja, ich auch, jetzt habe ich die Ruhe mich hinzulegen. Danach sehen wir weiter.

Meine schöne Frau Angst

Ich habe mit meiner Freundin an der Angst gearbeitet.

Mit ihrer Hilfe habe ich das Glück gehabt meine Frau Angst kennenzulernen. Sie ist mächtig, sie ist standfest, sie und unglaublich klar und schön. Sie ist eine Araberin in traditioneller Kleidung, mit einem gelben Kopftuch und einem grünen Kleid.

Sie will dabei sein in meinem Leben, kann aber nicht, weil ich sofort die Säbel wetze wenn sie auftaucht. Sie will mit mir reden und sagen was sie zu sagen hat, aber ich weiche zurück, ich kann mir das nicht vorstellen.

In ihrer Gegenwart bin ich klein, vielleicht drei oder vier. Sie darf sich nähern, die darf sich an der Tisch setzen, sie darf mich an die Hand nehmen, mehr geht nicht. Ich kann nicht größer werden, ich kann sie nicht in mich aufnehmen.

Sie steht an meiner linken Seite, ich kann ihre Präsenz am Oberarm und an der Backe spüren, sie hält meine Hand in ihrer Hand und schaut nur, fest und klar. Ich schaue zu ihr auf. So mit ihr zusammen zu sein ist schön. Beruhigend und aufregend zugleich.

Hier passiert mir nichts, das weiß ich. Ich freue mich etwas über die geheimnisvolle Frau Angst zu erfahren.

Denn ab jetzt steht mir diese Tür offen, ich kann mit ihr reden, ich kann ihr Fragen stellen, ich kann sie kennenlernen, wie aufregend! Danke liebe S.!

Aber im Augenblick möchten wir nicht reden, wir möchten uns nur an den Händen halten und das Zusammensein genießen. Hin und wieder schauen wir uns an und lächeln.

Das Unwohlsein genießen

Am Fühlen führt kein Weg vorbei. Warum ist das so schwer?

Morgen ist wieder Kurs. Seit dem letzten Kurs fühle ich mich deswegen elend. Es bedroht mich. Egal was ich versuche, es bleibt.

Es zulassen, dieses merkwürdige Gefühl, das erscheint mir unmöglich. Ich kämpfe bis es nicht merh geht.

Ich fühle meinen Körper, totale Spannung, der Magen ist ein einziger Krampf. Ich bin auf der Hut, in ständigem Check-Modus, meine Strategie gegen die Haltlosigkeit.

Wenn wir als Babys Haltlosigkeit erfahren, und dass ist immer, wenn unsere Bezugspersonen nicht angemessen auf unsere Bedürfnisse reagieren, dann übernehmen wir sofort und versuchen uns selbst zu halten, denn alles andere ist lebensbedrohlich. Hypervigilanz ist mein Muster.

Ich merke ich will das nicht akzeptieren. Ich sträube mich dagegen, dass es mir oft, meistens so geht.

Was wäre, wenn du dich dem was ist überlassen würdest?

‚Das geht auf gar keinen Fall, nein, nein, nein!‘

Was befürchtest du dann?

‚Ich zerplatze in tausend Teilchen, wenn ich nicht alles zusammenhalte, dann zerplatze ich in tausend Teile.‘

Kannst du dich einfach platzen lassen?

‚Hm. Na ja, vielleicht. So kann ich jedenfalls nicht mehr.‘

Ich sehe mich platzen, ich Millionen winziger Glitzerteilchen, sie fallen haltlos in ein dunkles Loch, tiefer und tiefer und tiefer, es ist so hoffnungslos, ich weine. Plötzlich fangen die Glitzerteile an sich zu ordnen, sie formen einen Kometenschweif und schweben durch die Galaxie, schweben und tanzen. Einen Verzweiflungstanz. Für mich gibt es keine Erlösung. Das höre ich.

Irgendjemand fragt: ‚Hast du Vertrauen ins Leben?‘

Nein, weine ich bitterlich, nein, ich habe kein Vertrauen, ich hätte so gern eines, aber es geht nicht.

‚Das Vertrauen ist jedem Menschen angeboren,‘ sagt die Stimme, ‚auch dir, du hast nur die Verbindung verloren‘.

Ich weiß nicht, mir geht es immer nur schlecht, ich fühle nur Unangenehmes egal was ich mache, für mich gibt es kein schönes Leben.

‚Was erwartest du eigentlich? Was ist ein schönes Leben?‘

Ich möchte es genießen, ich möchte mein Leben genießen und nicht fürchten.

‚Und warum genießt du nicht das, was dir das Leben bringt, also das Unangenehme, die Angst?‘

Häh? Wie meinst du das?

‚Wie ich es sage. Du willst nur das genießen was du haben willst, du kannst aber sofort das Leben genießen, jetzt auf der Stelle. Genieße das Unwohlsein, entspann dich hinein, schmelze hinein. Ja hineinschmelzen. Wenn du so eine Rolle auf der Bühne spielen würdest, würdest du deswegen leiden?

Nein.

Eben, du würdest da voll hineingehen und es so richtig genießen.

Ja, das stimmt.

Und warum?

Weil es nur ein Spiel ist.

Und was ist der Unterschied zum Leben?

Das ich damit auch aufhören kann, dass ich die Kontrolle habe.

Und kannst du es genießen, auch wenn du nicht die Kontrolle hast?

Ja, schon, eigentlich, genießen ist besser als nicht genießen, es ist sowieso da. Also voll hineinschmelzen und sich ergeben. Wie hier:

Peanuts

Gibt es den inneren Frieden wirklich?

Ich bin total runtergefahren. War zu erwarten, dass ich irgendwann nicht mehr kann nach dieser dramatischen Woche. Eigentlich könnte ich entspannt rumliegen, es gibt keine besonderen Anforderungen, das mache ich zwar, aber innerlich komme ich nicht zur Ruhe.

Denn nach dem Kurs ist vor dem Kurs. Der nächste Donnerstag schwebt wieder als drohendes Unheil in meinem Inneren. Ich kann es nicht ändern. Ich wollte wenigstens das Wochenende Pause haben, es einfach wegdrücken oder nicht beachten, aber das funktioniert einfach nicht. Es gibt keine Pause.

Ich bin gefangen im Drama-Karusell. Ich will nicht mehr. Wie kann das aufhören? Kann das überhaupt aufhören?

Ich lausche nach innen, vielleicht kann mir meine innere Führung eine Hilfe geben, alles andere erscheint mir sinnlos, erforschen, hinterfragen, ich weiß ja schon die Hintergründe aber es nützt nichts.

‚Wehren nützt nichts, schließe es ein‘, höre ich.

Ich mache es, alles sinkt nach unten, mir wird übel, aber es fühlt sich richtig an, befriedet.

Der innere Frieden kommt durch das Lassen, Annehmen, Einschließen. Ich kann mit ‚lassen‘ und ‚annehmen‘ nicht so viel anfangen, aber mit ‚einschließen‘, das hat eine Wirkung, das versteht mein Körper.

Puh, die Schmerzen sind da, auch einschließen, ja, das beruhigt. Ich werde immer mehr mit mir zusammen gebracht, ich fühle Mitgefühl mit meiner Situation, ich höre auch die üblichen ’so darf es aber nicht sein‘ Stimmen, die sind da, aber sie steuern nicht mehr.

Für diesen Moment bin ich in Frieden. Es gibt ihn, es gibt ihn den inneren Frieden, der von außen unabhängig ist. Denn nichts hat sich im Außen geändert, aber der Kampf hat aufgehört.

Für einen Moment vielleicht nur, aber dieser Moment hat eine Autorität die gilt.

Stop in the Name of Love

Innehalten geht nur schriftlich. Zu dieser Zeit höchsten Drucks jedenfalls. Ansonsten peitsche ich mich durch den Tag.

Und das ganz Erforschen nützt ja wenig, wenn ich nicht aktiv mein Verhalten ändere. Verhalten ändern ohne mit den zugrundeliegenden Mustern zu arbeiten nützt noch weniger. Aber das ist nicht mein Thema.

Ich liebe erforsche, hinterfragen, in den Dialog gehen, Körperübungen, alle Übungen, üben ist mir das Allerliebste. Ich habe manchmal Tage, die verbringe ich ausschließlich mit üben.

Aber machen, die Tat, das ganze Geübte, Erforschte, in die handelnde Realität bringen, das scheue ich.

Das betrifft nicht nur das Essen, es betrifft alles. Einen Stopp zu meinem Wohl zu setzen fällt mir schwer. Das kann man sogar in der Bewegungsanalyse sehen. Der Fließrhythmus ist ganz meiner, dort kann ich mich ewig aufhalten, also mich treiben lassen, hier ein wenig, dort ein wenig, la, la, la, den Stopp-Rhythmus mag ich gar nicht. Da muss ich aktiv eine Entscheidung treffen, eine klare Handlung vollziehen.

Und so zerrinnt meine Zeit, während ich es nicht schaffe eine Struktur hineinzubringen. Das gilt sowohl beim Vermeiden von Aufgaben als auch bei der Arbeit. Wenn ich in einem Modus bin, kann ich mir schwer eine Änderung erlauben. Wenn ich am Schreibtisch sitze und merke, dass ich total müde bin und mir vornehme mich kurz hinzulegen, dann sage ich mir innerlich ‚ja, gleich‘ und mache noch ein wenig dies und ein wenig das, und schwupps ist die Zeit rum und ich kann mich nicht mehr hinlegen. Und das passiert nicht einmal, sondern sehr, sehr oft.

Eben hatte ich einen Kuchen für den Kindergeburtstag morgen in den Ofen geschoben, setze mich an der Schreibtisch und obwohl ich, als es Zeit wurde, wusste, dass ich jetzt nach dem Kuchen schauen muss, tat ich es nicht, ich schindete innerlich Zeit (keine Ahnung wieso), so dass er mir ein wenig angebrannt ist. Ich verstehe mich selbst nicht. Warum fällt mir das so schwer?

Ich habe gerade in meinem Lehrbuch über den Stopp-Rhythmus gelesen. Es ist typisch für Suchtverhalten, das der Stopp-Rhythmus fehlt. Der Rhythmus des Unterbrechens. Fließrhythmus ist dagegen das Laufenlassen. Das Zusammenspiel der beiden braucht ein Gleichgewicht. Das ist bei mir eindeutig nicht da.

Das fehlende Stopp zeigt, das ich das Leben nicht in die Hand nehme und mich scheue Dinge zu entscheiden, so steht es weiter, und kann eine Folge von traumatischen Erlebnissen sein. Je weniger wir von uns aus ein Stopp setzen, desto mehr lassen wir uns von äußeren Faktoren bestimmen.

Und ich ergänze: auch von inneren Faktoren.

Genau jetzt ist es wieder soweit. Ich wollte weiter kochen, aber stehe einfach nicht auf. Ich zögere es hinaus.

Warum?

Ich will nicht.

Du willst nicht kochen?

Doch schon, ich will nicht aufstehen, ich will nicht unterbrechen.

Weil?

Das so anstrengend ist.

Inwiefern?

Das braucht so viel Kraft, irgendwie, mich durchzusetzen.

Gegen wen?

Gegen die Resignation.

Oh. (Ich fühle rein, und tatsächlich, da ist ein Teil, der ganz resigniert in der Ecke liegt und gar nichts tun will)

Was ist los mit dir Resignation?

Alles ist sinnlos.

Was ist alles?

Bemühungen, Hoffnungen, Anstrengungen, alles sinnlos.

Was bedeutet sinnlos?

Nichts wird sich jemals ändern.

Das ist mir zu schwammig. Was wird sich nicht ändern?

Die Aussichtslosigkeit.

Hm. Ich verstehe es immer noch nicht.

Egal was ich tue, es ändert nichts.

Naja, wenn du ins Wasser gehst, wirst du nass, oder?

So was meine ich nicht.

Ja was meinst du denn?

Sinnlos, Anstrengungen sind sinnlos, nichts ändert sich.

Hast du dich schon mal angestrengt?

Und wie, ich habe gekämpft und gekämpft bis zur totalen Verausgabung, aber es hat nichts genützt. Ich wurde nicht gesehen, ich wurde nicht beschützt, ich wurde nicht geliebt. Das ist einfach so.

Ich weiß, ich weiß sehr wohl. Aber weißt du, das die Menschen von denen du das damals gewollt hast dazu überhaupt nicht in der Lage waren, es also tatsächlich aussichtslos war?

Ja.

Und weißt du auch, dass du das damals nicht wissen konntest, du hattest gar keine andere Wahl als so zu handeln?

Ja.

Und weißt du auch, dass du heute einen Überblick hast, du hast die Fähigkeit einzuschätzen ob etwas aussichtslos ist oder nicht, du bist in der Lage dich aus aussichtslosen Situationen zu entfernen. Du bist nicht mehr ausgeliefert. Weißt du das?

Irgendwie nicht. Das verwirrt mich jetzt. Echt?

Ja. Du musst deine Kraft nicht mehr in aussichtslose Dinge stecken. Du kannst beurteilen welche Dinge aussichtslos sind. Du kannst deine Kraft in die Dinge stecken, die eine realistische Chance haben.

Oh. Das stellt meine Welt auf den Kopf. Da muss ich nachspüren.

Ich stelle dir trotzdem noch eine letzte Frage. Wenn es ums Essen geht, um ein Stopp beim Essen, glaubst du, es besteht die realistische Chance, dieses Muster zu ändern? Glaubst du der Krafteinsatz lohnt sich?

Obwohl ich keinen Menschen kenne, dessen dahingehende Entwicklung ich wirklich selbst miterlebt hätte, sondern solche dauerhaften Veränderungen von Mustern nur aus Erzählungen kenne, deren Wahrheitsgehalt ich nicht überprüfen kann, glaube ich trotzdem daran. Tief drinnen weiß ich, dass die Fähigkeit ein Stopp zu setzen sehr wichtig für mich ist. Sehr wichtig.

Ein Stopp aus Liebe.