Dem Leben vertrauen

Vorhin hatte ich mein Brot schon fertig, den Kaffee aber noch nicht. Ich erwischte mich dabei, wie ich schon mal ins Brot biss, während ich vor der Kaffeemaschine stand.

Diesmal konnte ich stoppen. Diese Ungeduld und diese Gier sein lassen ohne ihr zu folgen, ohne mich von ihr steuern zu lassen. Ich habe sie gefühlt, bin mit ihr geblieben, innerhalb kürzester Zeit war sie durch mich hindurchgegangen und ich konnte in Ruhe warten bis alles fertig war.

In den letzten Tagen habe ich das immer wieder erfahren. Ob es um Unwillen geht die Wäsche zu machen, ob es um Druck geht weil noch so viel zu tun ist, oder eben Gier oder auch nicht mit dem Essen aufhören wollen.

Diese Programme starten automatisch, wenn ich darauf warte bis sie nicht mehr starten, wenn das die Voraussetzung ist für Entwicklung, dann wird das möglicherweise nie der Fall sein. Egal wie viel ich hinterfrage und erforsche, wenn ich ihnen immer weiter folge, nur weil sie da sind, dann gibt es keine Entwicklung. Die Fähigkeit nicht zu folgen steigt mit jedem Mal, das ich nicht gefolgt bin, in all den Jahren des ständigen Hinterfragens, ist der Drang kein Stück weniger geworden. Es reicht einfach nicht im Kopf zu bleiben, auch wenn es sehr verlockend ist.

Ich hatte das viele Jahre falsch verstanden, ich dachte, wenn ich brav hinterfrage und Übungen mache, dann kommt der Drang irgendwann nicht mehr. Genau das stimmt nicht. Ein Muster lässt sich nur schwächen, wenn man lernt den Abstand zwischen Reiz und automatischer Reaktion zu vergrößern bis man die Reaktion weglassen kann, und das ist ein willentlicher Akt, nichts was einfach passiert, es ist eine Entscheidung, mal wieder, oder immer noch.

Und alles was man braucht um diesen Abstand zu vergrößern ist das Fühlen. Das Fühlen dessen was ist, sich beistehen und begleiten, durch jede Erfahrung, denn jede Erfahrung ist gültig, weil sie ist.

Und ja, ich erlebe es immer öfter, weil es mir immer öfter einfällt. Es wird ein Stück weit selbstverständlich. Egal wie es mir geht, ich brauche nicht weglaufen, ich muss es nicht wegdrücken oder betäuben, ich kann und darf es einfach fühlen, ich darf mir beistehen und mit mir verbunden bleiben, ich kann mein Herz offen halten für alles was ist.

Denn alle Emotionen, egal wie unerwünscht oder unangenehm, sind das was notwendig ist. Sind mein Seelenfutter vom Universum geschickt, weil es das ist was ich genau in diesem Augenblick brauche. Nur damit entwickelt es sich weiter in die Richtung in die es sich entwickeln soll und die ich nicht kenne, die ich nicht kennen kann, als Mensch mit meinen begrenzten Fähigkeiten.

Und dem kann ich Vertrauen, auch wenn mein Verstand protestiert, weil er es nicht versteht. Aber so etwas wie ein Verstand kann es gar nicht verstehen, weil er immer ordnen und sortieren muss und eine Logik aufbauen will. Aber das Leben ist weder ordentlich, noch gut sortiert noch logisch. Es ist nur Leben.

Und weil ich jedes Mal wenn ich zu mir zurückkehre und mich dem Leben anvertraue ohne zu wissen was dabei rauskommt mich so berührt und beschützt und wohl und zuhause fühle, selbst im unangenehmsten Gefühl, weil das so ist, weil ich diese Erfahrung gemacht habe, nicht nur einmal, sondern viele, viele Male, kann ich langsam dem Leben ein wenig mehr vertrauen. Und ich weiß, mit jeder Erfahrung wird es noch stärker werden dieses Vertrauen.

Ich freue mich darauf.

Das Unwohlsein genießen

Am Fühlen führt kein Weg vorbei. Warum ist das so schwer?

Morgen ist wieder Kurs. Seit dem letzten Kurs fühle ich mich deswegen elend. Es bedroht mich. Egal was ich versuche, es bleibt.

Es zulassen, dieses merkwürdige Gefühl, das erscheint mir unmöglich. Ich kämpfe bis es nicht merh geht.

Ich fühle meinen Körper, totale Spannung, der Magen ist ein einziger Krampf. Ich bin auf der Hut, in ständigem Check-Modus, meine Strategie gegen die Haltlosigkeit.

Wenn wir als Babys Haltlosigkeit erfahren, und dass ist immer, wenn unsere Bezugspersonen nicht angemessen auf unsere Bedürfnisse reagieren, dann übernehmen wir sofort und versuchen uns selbst zu halten, denn alles andere ist lebensbedrohlich. Hypervigilanz ist mein Muster.

Ich merke ich will das nicht akzeptieren. Ich sträube mich dagegen, dass es mir oft, meistens so geht.

Was wäre, wenn du dich dem was ist überlassen würdest?

‚Das geht auf gar keinen Fall, nein, nein, nein!‘

Was befürchtest du dann?

‚Ich zerplatze in tausend Teilchen, wenn ich nicht alles zusammenhalte, dann zerplatze ich in tausend Teile.‘

Kannst du dich einfach platzen lassen?

‚Hm. Na ja, vielleicht. So kann ich jedenfalls nicht mehr.‘

Ich sehe mich platzen, ich Millionen winziger Glitzerteilchen, sie fallen haltlos in ein dunkles Loch, tiefer und tiefer und tiefer, es ist so hoffnungslos, ich weine. Plötzlich fangen die Glitzerteile an sich zu ordnen, sie formen einen Kometenschweif und schweben durch die Galaxie, schweben und tanzen. Einen Verzweiflungstanz. Für mich gibt es keine Erlösung. Das höre ich.

Irgendjemand fragt: ‚Hast du Vertrauen ins Leben?‘

Nein, weine ich bitterlich, nein, ich habe kein Vertrauen, ich hätte so gern eines, aber es geht nicht.

‚Das Vertrauen ist jedem Menschen angeboren,‘ sagt die Stimme, ‚auch dir, du hast nur die Verbindung verloren‘.

Ich weiß nicht, mir geht es immer nur schlecht, ich fühle nur Unangenehmes egal was ich mache, für mich gibt es kein schönes Leben.

‚Was erwartest du eigentlich? Was ist ein schönes Leben?‘

Ich möchte es genießen, ich möchte mein Leben genießen und nicht fürchten.

‚Und warum genießt du nicht das, was dir das Leben bringt, also das Unangenehme, die Angst?‘

Häh? Wie meinst du das?

‚Wie ich es sage. Du willst nur das genießen was du haben willst, du kannst aber sofort das Leben genießen, jetzt auf der Stelle. Genieße das Unwohlsein, entspann dich hinein, schmelze hinein. Ja hineinschmelzen. Wenn du so eine Rolle auf der Bühne spielen würdest, würdest du deswegen leiden?

Nein.

Eben, du würdest da voll hineingehen und es so richtig genießen.

Ja, das stimmt.

Und warum?

Weil es nur ein Spiel ist.

Und was ist der Unterschied zum Leben?

Das ich damit auch aufhören kann, dass ich die Kontrolle habe.

Und kannst du es genießen, auch wenn du nicht die Kontrolle hast?

Ja, schon, eigentlich, genießen ist besser als nicht genießen, es ist sowieso da. Also voll hineinschmelzen und sich ergeben. Wie hier:

Peanuts