Die Frau Angst ist wieder sehr mächtig.
Zittern, Magenkrämpfe, weiche Knie, so bin ich aufgewacht. Es ist als ob der Körper erst schlafen muss um die Energie für all die Angstsymptome zu sammeln.
Also, Frau Angst, was soll ich tun?
Kämpfe nicht. Fühle nur. Dann wir dir etwas gezeigt.
Hm. Was?
Das siehst du dann.
Und wie lange?
So lange es dauert.
Ha, ha.
Ok, also ich fühle.Ich tauche ein in den Strudel von Übelkeit und Schwindel und Schwinden. Ich würge und zucke. Zwischendrin merke ich wie der Widerstand automatisch versucht alles wegzudrücken. Es braucht eine bewusste Entscheidung es zuzulassen.
Ich halte das nicht aus, mich ständig so zu fühlen, ich drifte weg, es ist anstrengend. Dabei zu bleiben ist anstrengend. Kann ich nichts von mir wollen?
Wie wäre es wenn ich nichts von mir wollte?
Dann fange ich an mich aufzulösen, werde von Angst und Widerstand in Stücke gerissen. Jeder krallt sich ein Teil. Tränen kommen, sinnlose Situation. Nicht zu ändern.
Ich lege mir eine Hand auf die Brust und schenke mir selbst Mitgefühl, weil es einfach so verdammt Scheiße ist. Ich bin verdammt zu einem Leben in Angst.
Das Mitgefühl ist wie warmes Öl, das ich über meine Haut gieße, es umspült mich, es umschließt mich, es wärmt mich, es tröstet mich. Es gibt keinen Ausweg, aber es gibt Trost.
Und ich merke, Mitgefühl stellt sich erst ein, wenn ich die Hoffnung auf Beeinflussung der Situation völlig aufgegeben habe. Sonst steuert der Antreiber, der will, dass ich mich noch mehr anstrenge um das Problem zu lösen und der mir vorwirft mir nicht genug Mühe zu geben. Der gibt mir die Schuld, ja, der gibt mir die Schuld.
Aber ich habe keine Schuld. Aufgrund unzähliger Umstände, die ich alle nicht beeinflussen konnte geht es mir so, und es wird weiter so sein, dass ich mit unzähligen Umständen konfrontiert werde, die ich nicht beeinflussen kann. Und auch was es in Zukunft mit mir machen wird, ist nicht meine Schuld. Ob ich dann so, oder so oder so reagiere, das weiß ich nicht, und wie auch immer es sein wird, ich habe keinen Einfluss.
Dass ich mich dieser Tatsache nicht vertrauensvoll hingeben kann, das ist das Ergebnis meiner Geschichte auf dieser Welt, und auch das ist ein Umstand, den ich nicht beeinflussen konnte.
Wir Menschen sind dem Leben ausgeliefert, nackt und ungeschützt, egal was wir tun. Und wenn wir dem Leben nicht vertrauen, dann geht es uns eben so. Und dass wir dem Leben nicht vertrauen, das ist auch nicht unsere Schuld.
Aus dieser Perspektive ist es ganz leicht mir mit Mitgefühl zu begegnen, und ich merke, ich brauche dieses ganze Mitgefühl auch dringend, das hat es für mich nie gegeben. Nie.
Auch wenn ich schon hin und wieder auch getröstet worden bin, so doch nie ohne einen Spruch wie: ‚Das hast du jetzt davon.‘, ‚Das habe ich dir gleich gesagt.‘, ‚Warum musstest du auch…‘, ‚Stell dich nicht so an.‘ ‚Selber schuld.‘
Ja, tief eingegraben glaube ich, dass ich an meiner ganzen Misere selbst schuld bin, dass mir das alles wider besseren Wissens selbst eingebrockt habe und dafür sicher kein Mitgefühl verdiene sondern noch einen obendrauf, damit mir das ja nicht nochmal passiert und ich endlich daraus lerne.
Was für eine grausame Welt in mir drin.
Aber jetzt lege ich mir immer wieder die Hand auf die Brust und sage innerlich: ‚Ich bin unschuldig. Dass es mir so geht, geschieht ohne mein Zutun, ich kann es nicht beeinflussen, ich verdiene all mein Mitgefühl für meine schwere Situation.‘
Und, was soll ich sagen, das System beruhigt sich ein wenig. Und das ist viel, wo ich vorher schon kurz vom Brechen war und auf jeden Fall nicht in der Lage war aufrecht zu stehen.