Mit Kompass im Puzzleteilchenberg

Was nährt mich? Habe ich gerade bei Comfortqueen gelesen. Wieder Druck, ich weiß es nicht, immer noch nicht. Vor einigen Tagen habe ich versucht ebenfalls so eine Liste zu erstellen, aber mit fällt original nichts ein.

Entweder ich weiß es nicht oder ich bemerke es nicht, das bleibt noch herauszufinden. Wahrscheinlich etwas von beidem.

Noch mehr Nichtwissen. Dabei bin ich heute wieder sehr am schwinden und drehen. Ich merke, ich kann keine Entscheidung treffen, nicht die allerkleinste, unter anderem weil ich vorher schon wissen möchte, dass ich richtig liege.

Auch das gehört zu der Vermeidung von Verpflichtung und Einsatz. Dabei verpflichte ich mich der Nichtverpflichtung. Und nicht entscheiden ist auch eine Entscheidung. Wie ich es drehe, ich komme da nicht raus. Entweder entscheiden die Muster oder ich. Aber entschieden wird sowieso.

Jetzt ist Zeit fürs Ballett. Ich hadere mal wieder. Will unbedingt hin und will überhaupt nicht hin, nie mehr. Ich lasse mal alle Teile sprechen. Es ist das einzig Verbindende was mir einfällt.

  • Ich will hin weil es zu der To-do-Liste gehört
  • Ich will hin um fit zu bleiben
  • Ich will hin weil es gut tut
  • Ich will nicht hin, weil ich nirgendwo hin will

Du, die nirgendwo hin will, was brauchst du damit du mitkommen kannst? ‚Du musst mir versprechen, dass du mich nicht alleine lässt und dass du nicht über mich drüber gehst, dass ich aufhören darf wenn ich nicht mehr kann.‘ Ok, das verspreche ich.

..

Zurück. Es war gut, hat einfach gut getan, Ballett ist eine Ressource, ist vielleicht etwas was ich auf meine Liste schreiben kann, aber nur, wenn ich nicht einfach weitermache, koste es was es wolle. Ich musste mich heute viele Male erinnern, dass ich auch die Option habe weniger zu machen um mich immer noch gut zu fühlen, das ging auch, trotzdem ist da ein Kritiker, der meint, so wird das nichts, das war ja gar nichts, so mit halber Kraft. Aber dem geht es um Trainingsergebnisse, nicht um das Wohlfühlen.

Ich bin seit zwei Tagen total offen, verletzbar, sofort am Weinen, ich fühle ganz intensiv, dadurch wird mir ständig Neues bewusst. Ein Teil zweifelt schon wieder, ob es nicht zu viele Erkenntnisse und Einsichten sind, ob ich das überhaupt verarbeiten kann. Doch sie kommen einfach, das wird schon seine Richtigkeit haben, die Quelle, die sie mir schickt ist unendlich viel weiser als irgendein Teil von mir.

Was befürchtest du? ‚Ich habe Angst, dass sie das nicht mehr ordentlich sortieren kann und alles durcheinanderbringt und wieder vergisst.‘

Oh, ich verstehe dich, was brauchst du denn? ‚Wenn sie alles aufschreibt kann sie es später nochmal lesen, wenn sie es vergessen hat.‘ Geht klar, das mache ich eh.

Was ich nämlich in aller Klarheit fühlen kann ist, dass meine Bedürfnisse gar nicht erst auftauchen sollen, sie müssen sich verstecken, besonders wenn ich Termine habe. Das gilt auch für noch so freiwillige Termine.

So habe ich vorhin gedacht, oh heute mag ich gar keinen Smoothie, macht nichts (weil der Spinat nicht so lange frisch bleibt), vielleicht mag ich ihn morgen. Sofort kam dann: ‚Nein, das geht nicht, da habe ich Praktikum, da kann ich mir keinen Smoothie machen.‘

Aha. Ich muss um 12 Uhr los. Jede Menge Zeit eigentlich. Aber nein, es ist undenkbar. Baden, Yoga, egal was ich mir vorstelle was ich für mich tun könnte, geht nicht. Und ich habe nicht die allergeringste Ahnung wieso. Das Gefühl sagt ganz deutlich nein.

Ok, warum kann sie sich keinen Smoothie machen?

Kann sie schon, das Machen ist kein Problem, aber es hat keinen Wert für sie.

Warum?

Weil sie ihn nicht genießen kann.

Warum?

Weil sie nicht entspannen kann.

Warum?

Weil sie einen Termin hat. Solange sie noch irgendwo hin muss oder noch etwas Unverschiebbares machen muss, kann sie nicht entspannen.

Wenn sie es täte was wäre dann? Ohne die Antwort abzuwarten kommen Bilder, ich sehe mich entspannt in der Badewanne liegen, dann mit dieser Entspanntheit das Haus verlassen. Das geht, dann kommt das nein. Aha, dann wäre sie bei dem Termin vielleicht auch entspannt?

Ja, das darf nicht sein.

Wie soll sie denn sein?

Auf der Hut, in Hab-Acht -Stellung.

Weil?

Weil sie vielleicht blitzschnell reagieren muss, sich verteidigen muss, um ihr Leben kämpfen muss.

Muss sie wirklich wenn sie zu einer Informationsveranstaltung geht, zum Praktikum oder mit den Kindern zum Eislaufen, muss sie da um ihr Leben kämpfen?

Nein, nicht wirklich, aber es fühlt sich so an. Leute waren all die Jahre die allerhöchste Gefahr. Es war wichtig die höchste Stufe der Alarmbereitschaft aufrechtzuerhalten.

Ja, das verstehe ich gut, das war absolut notwendig und du hast es auch zuverlässig und beständig gemacht, ich danke dir dass du so gut aufgepasst hast. Was brauchst du von mir?

Ich brauche deine Präsenz, du musst bei mir bleiben und mich beruhigen wenn ich wieder hochfahre, mir aufzeigen, dass keine Gefahr besteht, von alleine kann ich das (noch) nicht sehen.

Oh, wow, danke für diese Information, das mache ich.

Der Weg wird immer konkreter, all diese Teile, die in ihrer jeweiligen Zeit hängengeblieben sind und das immergleiche Programm abspulen müssen einzeln gefunden, eingesammelt, verstanden, getröstet und beruhigt werden, damit sie, wenn sie das bekommen haben, was sie seit Jahrzehnten vermissen sich zur Ruhe setzen können.

Und der Kompass durch diesen Haufen Puzzleteilchen sind die Gefühle. Sie zeigen sofort an, wenn ein Teilchen zum Finden bereitsteht. Nur dann kann es gefunden werden. Deswegen bereiten manche Sachen, die seit Jahren funktionieren, auf einmal Probleme, weil die Puzzleteilchen nun gefunden werden können. Nicht weil alles immer schlimmer wird und ich gar nicht lebensfähig bin.

Die Problematik, die sich jetzt zeigt, bestand schon sehr lange, nur war sie komplett weggedrückt, weil das Funktionieren Priorität hatte. Nun bröckelt diese Priorität immer mehr, also können all die überschminkten Wunden sichtbar werden.

Und noch etwas. Ich brauche gar nicht mehr zu wissen als das was gerade ist. Denn alles entfaltet sich auf vollkommene Art und Weise und immer für uns, nicht gegen uns. Das Leben liebt uns alle.

Missing Link

Ich fühle mich ausgewrugen, von allen Seiten gequetscht.

Die Arbeit von gestern wirkt noch sehr nach, und dann ist im Außen etwas passiert, was genau das triggert, was ich am meisten fürchte, die Reaktionen der Anderen. Allein zu schreiben, dass ich die Reaktionen der Anderen am meisten fürchte, treibt mir die Tränen in die Augen, ich hatte immer ein Überlebensprogramm das sagte: Was die Anderen denken ist egal. Ich habe gar nicht gewusst, dass ich die Anderen am meisten fürchte.

Ich stelle mir den Wecker und fühle. Wann habe ich dieses Gefühl früher schon mal gefühlt? Es kommt ein Bild, ich sitze im Buss in Bonn, dort sind wir als erstes gewesen in Deutschland, ich fühle mich genau so wie jetzt, traurig, verwirrt, nicht wissend, gequetscht und esse ein Mars dagegen an.

Wann habe ich dieses Gefühl noch früher schon mal gefühlt? Ich sehe mich im Kindergarten, ich sitze stumm da und verweigere alles, ich spreche nicht, esse nicht, mache nichts. Da habe ich mich also auch so gefühlt, da gehe ich in die totale Abschottung, die anderen sind ja da.

Wann habe ich das noch früher schon mal gefühlt? Ich sehe mich als Krabbelkind auf dem Boden sitzen, lauter Beine um mich rum, totale Verwirrung was die alle von mir wollen, wie ich da wieder rauskomme, ich fühle etwas, ich kann es kaum beschreiben, ich bleibe dabei, jetzt weiß ich es, ich fühle mich allein, getrennt, ich bin allein, niemand ist auf meiner Seite, ich gehöre zu niemandem.

Was für ein vertrautes Gefühl, und doch so unbekannt. Ich bin allein. Niemand ist auf meiner Seite. Ich gehöre zu niemandem.

Ich gehe zu diesem Kind auf dem Boden, setzte mich zu ihm und biete ihm meine Arme an. Es krabbelt zu mir und kuschelt sich in meine Arme, während ihm stumme große Tränen über die Wangen fließen.

Das ist noch ein Zahnrädchen, ein bisher fehlendes Zahnrädchen. ‚Ich bin allein‘ greift in das Zahnrädchen ‚Das ist überwältigend, allein kann ich nicht überleben‘, geht dann über zu ‚Wenn ich den Anforderungen genüge, gehöre ich dazu‘, dass wiederum verbindet sich mit ‚Ich kann niemals die Anforderungen erfüllen, denn ich kann nicht perfekt sein, nichts weniger als das wird von mir verlangt‘, und dann wird das nächste Rädchen in Gang gesetzt, ‚Wenn ich es nicht schaffe droht Unheil, Verderben und Tod‘, dann ‚alle sind gegen mich und warten auf meinen Fehler, Menschen sind gefährlich‘ und schließlich ‚am Besten ich habe mit niemandem etwas zu tun, dann kann ich dem vielleicht entkommen, allein bin ich sowieso, die anderen sind gefährlicher als das Alleinsein‘

Alles passt zusammen wie geölt, das ist das Zusammenspiel. Ich bin ganz geplättet.

Ein Grundgefühl des Alleinseins, dass ein Kind nicht ertragen kann, dann der Versuch sich die Verbindung über die herrschenden Spielregeln zu holen, besonders brutale, meine Therapeutin nennt sie Nazi-Spielregeln, die Anforderungen sind nicht zu schaffen, es wird nur auf eine Gelegenheit zur Bestrafung gewartet, und die kommt automatisch. Als Folge Angst vor der ganzen Menschheit, automatische, prophylaktische Angst, weil angenommen wird, dass alle nach genau den gleichen Spielregeln spielen.

Ich bin froh, unter Tränen froh, dass ich dieses dunkle Loch endlich fühlen kann, mit selbst dabei beistehen kann.

Auf einmal kommt ein Bild, ein Licht, es gab zwei Menschen in meiner Kindheit, die mein Licht waren, bei ihnen galten diese Regeln nicht. Das ist der Grund warum ich in einem sehr kleinen Rahmen einzelnen Menschen vertrauen kann, wenn ich sie sehr, sehr gut kenne und weiß, dass sie mich nicht ändern wollen, dass sie alles an mir akzeptieren.

Dieser kleine Teil, der sich verbinden kann, der eine Bindung eingehen kann ist heil. Aber der große Rest von mir, vermeidet Bindung, scheut Verbindung, will keine Verpflichtung.

Oh mein Gott, die Groschen fallen heute aber heftig. Natürlich, keine Verpflichtung, keine Bindung, das Muster verselbstständigt sich und nimmt in unterschiedlichen Bereichen verschiedene Formen an.

Die Vorgaben sind fast unerreichbar, entweder ich schaffe sie nicht und muss Vernichtung fürchten oder ich schaffe sie unter Aufbietung all meiner Kräfte, mit den allerletzten Energiereserven. Das schwappt über auf alles. Also einfach keine Aufgaben übernehmen, dann bin ich auf der sicheren Seite, oder wenn es doch irgendwie sein muss, dann innerlich distanziert bleiben, dann brauchen mich Vorgaben und deren Erfüllung nicht zu interessieren.

Selbst wenn ich äußerlich Verantwortung übernehme, dann übernehme ich nicht wirklich die Verantwortung.

Also, ich mache das äußerlich, ich vollziehe die Handlung, aber ich bleibe gefühlsmäßig draußen. Bin nicht involviert. Versuche mich in die Gleichgültigkeit zu retten. Ist mir egal wie es wird, im Zweifel habe ich damit nichts mehr zu tun, mich trennen von Dingen und auch Menschen fällt mir leicht, das kann ich gut.

Schon Termine sind unerträglich. Unangenehm weil es eine Verpflichtung ist zu einer bestimmten Zeit irgendwo zu sein. Vorgabe ist: nicht zu spät kommen, nicht verpassen, dort das absolut Richtige tun. Sonst Vernichtung.

Genau so wie Hausarbeit. Das perfekt saubere und perfekt eingerichtete Haus, mit dem perfekten Garten ist nicht erreichbar, also geht es mich innerlich nichts an. Wenn ich anfange das Ziel anzuvisieren, spüre ich schon die totale Überforderung, das würde mich die letzte Kraft kosten und wäre doch unerreichbar. Also fühle ich mich dafür nicht verantwortlich, ich bin gefühlsmäßig nicht involviert. Ich dachte es liegt am Haus, aber nein, es liegt daran, dass ich eine solche Bindung (noch) nicht eingehen kann. Dazu müsste es erlaubt sein die Stroh zu Gold Vorgaben fallen zu lassen.

Noch undenkbar. Natürlich weiß ich das kopfmäßig, aber mein Gefühl hält daran fest. Es will nichts anderes als in Ordnung akzeptieren als das Ideale, Perfekte, Makellose. Alles andere ist bäh. Also ist so ziemlich alles bäh in meinem Leben, den nichts entspricht diesen Anforderungen.

Ich lebe auf fast allen Ebenen im Provisorium, immer bereit zu gehen, immer mit gepackten Koffern. Mein Mann und meine Kinder sind da ausgenommen. Mein Mann ist unter anderem deswegen mein Mann, weil er durch seine Art diese Problematik nicht antriggert. Und inzwischen kenne ich ihn so gut, dass er über diese Grenze gehen durfte, an ihn habe ich mich gebunden, und an meine Kinder auch. Die Perfektions-Anforderungen gelten für sie nicht.

Ich kann das fühlen, den Unterschied. Das Gebundensein. Das ist schön und ich bin sehr froh darüber, es gibt einen heilen Teil in mir. Es ist möglich.

Es fallen mir noch jede menge Bereiche ein, in denen dieses Uhrwerk tickt. Beruf: verschiedene Ausbildungen, Studium, aber keine Entscheidung für einen Beruf.

Wenn Beruf, am liebsten etwas ohne andere Menschen, das ist sicherer, aber so langweilt mich das total.

Von Menschen geht die Gefahr aus. Eine Welt ohne Menschen ist sicher. Und warum? Ich muss das für mich ein paar Mal wiederholen weil es so wichtig ist.

Weil ich alleine bin und niemand auf meiner Seite ist, weil alle Menschen nur darauf warten, dass ich die Vorgaben nicht erfülle um mich zu vernichten, weil die Vorgaben so schwer bis gar nicht zu erfüllen sind, dass ich, sollte ich es schaffen, dabei völlig aufgebraucht bin, drohe vor Erschöpfung zu sterben. Denn ich weiß es gibt keine Gnade, niemand wird mich erlösen, einfach nur weil ich nicht mehr kann, ich muss weitermachen bis ich zusammenbreche oder zugebe dass ich es nicht schaffe und brav meine Bestrafung ertrage.

In dieser Welt gibt es keine Liebe. Das tut gut es aufzuschreiben, immer und immer wieder. Es wird für mich jedes Mal ein wenig klarer.

Und ich merke auch, dass ich in dieser Welt nicht leben will, nicht leben muss. Ich habe auch eine andere Welt kennengelernt. Ich kann wählen, aber nur vorausgesetzt ich bemerke es. Und ich weiß was überhaupt los ist. Das war bis heute nicht der Fall. Klar kenne ich im Prinzip alle Teilchen, aber das Gesamtbild wollte trotzdem nicht entstehen.

Bis ich das Alleinsein fühlen konnte, dieses erbärmliche, bedrohliche Alleinsein, dessen Vermeidung alles weitere in Gang setzte. Das Alleinsein war das Missing Link. Danke, dass es sich gezeigt hat.

Perfektion oder Stroh zu Gold spinnen

Heute in der Therapie wollte ich mit dem Anteil sprechen, der nicht abnehmen will. Sofort kam der Widerstand, Magenkrampf, Druck im Kopf, Schwindel, das System war dagegen.

Also gingen wir mit dem Widerstand. Dieser wollte schon gar nicht wahrhaben, dass das Gewicht irgendeinen Sinn haben könnte, weil das der Vorgabe widerspricht, dass ich perfekt sein soll. Die Perfektion ist das höchste Ziel, und es zählt nicht dass es nicht möglich ist. Ich bin diejenige, die Stroh zu Gold spinnen soll.

Dabei gebe ich mir richtig viel Mühe, halte an dem Gedanken fest, dass das möglich ist, auch wenn ich es noch nie geschafft habe und mich deswegen als ein ewiger Zweiter fühle. Bemüht aber nicht gut genug, gibt sich Mühe, aber schafft es einfach nicht in Ordnung zu sein.

In diesem System gibt es keinen Platz für mich an dem ich sein kann. In manchen Systemen kann etwas getan werden um die Vorgabe zu erfüllen, und auch wenn das die totale Selbstaufgabe bedeutet, so ist das doch wenigstens erreichbar.

In meinem System ist die Vorgabe per se schon unerreichbar, weil eben niemand Stroh zu Gold spinnen kann. Der Satz, der mir die Tränen in die Augen treibt, weil er genau meine Realität wiedergibt ist: ‚Nur perfekt darf ich leben‘.

Ich kann es nicht erreichen, ich kann aber auch nicht aufgeben es zu erreichen, weil das die Vernichtung bedeutet, bedeutete damals. Das System verlangt von mir ständige Anstrengung es zu erreichen.

Der Blick, die Augen durch die ich angeschaut wurde ist: ‚Das reicht nicht, du musst dich mehr anstrengen, so bist du nicht ok.‘ Und dabei gab es niemals einen Ok-Punkt, ganz egal was ich gemacht habe.

In diese Welt bin ich hineingeboren und diese Welt wirkt immer noch in mir, kopfmäßig weiß ich dass das nicht alles ist, dass es auch noch eine andere Welt gibt, nur das Gefühl fehlt noch, die Erfahrung.

Dass die Welt noch stark ist in mir, merke ich daran, dass ich nicht einmal heute aufgeben kann, es ist mir nicht möglich zu sagen: ‚Ich kann das Stroh nicht zu Gold spinnen, das ist mir nicht möglich‘, ‚Ich kann nicht perfekt sein, das ist nicht möglich‘

Da melden sich sofort die Stimmen: ‚Nicht aufgeben, nicht aufgeben, du musst es versuchen, noch mehr versuchen, noch intensiver, noch konzentrierter‘

Das ist die unterste Wurzel des Systems, zumindest bis heute, das hält alles zusammen, die Angst vor Fehlern jeglicher Art, die mich sogar zum Brechen bringt, die Scham vor Herausstellung positiver Art, weil ich das nicht als möglich erlebt habe als Kind, und deswegen das Gefühl habe zu betrügen, der ständige Vergleich mit anderen, und wenn ich nicht die Perfekteste bin, dann die bekannte Trauer, Enttäuschung und Resignation: ‚da gehöre ich hin, an zweiter Stelle, ich bin nicht in Ordnung, so ist es eben, da kann man nichts machen‘

Und das schlimmste, ganz tief, ohne dass ich es bis heute zugeben konnte, vergleiche ich meine Kinder und messe sie an diesem Perfektionsanspruch. Sofort kommt Scham dafür, aber eine befreiende Scham, weil ich es endlich sehen kann. Und merke dass es falsch ist, dass dieser Vergleich meinen Kindern nicht gerecht wird. An meinen Kindern kann ich fühlen, dass diese Welt falsch ist, brutal, erbarmungslos und kalt. Dass meine Kinder Stroh zu Gold spinnen sollen, dass will ich ihnen nicht mitgeben.

Über meine Kinder als Brücke kann ich auch für mich Mitgefühl empfinden, ich habe das einfach mitbekommen, ich hatte keine Wahl.

Und genau darüber, meint meine Therapeutin, über die Scham den Kindern gegenüber kann das Tor aufgehen zur anderen Welt. Weil ich fühlen kann, dass es falsch ist, muss ich eine Ahnung haben von etwas Anderem.

Heute ist es noch nicht so weit. Ich kann nicht in die andere Welt, noch nicht mal für einen kurzen Blick. Ich kann aber dem Perfektionsgriff, der mich fest umklammert hält in die Augen schauen und ihn als falsch erkennen, und das ist schon eine ganze Menge. Und ich habe unendlich viel Mitgefühl mit mir, das ist auch eine ganze Menge.

Ich bin sehr dankbar, ich habe heute etwas sehr Wichtiges über mich gelernt, einen ganz großen Schatten ins Licht geholt.

Mir fällt etwas ein. Wenn es um das Wort ‚perfekt‘ geht, es offensichtlich so viel Macht hat, es so wichtig ist es zu sein, dann könnte ich schauen ob ich die Macht des Wortes nutzen kann um die Wände aufzubrechen. Ich frage: ‚Ist es möglich zu sagen, dass du genau so wie du bist, heute in diesem Moment absolut perfekt bist?‘

Ja, ja, ja das kann ich sagen, in diesem Moment bin ich perfekt genau so wie ich bin. Ich kann es sagen, hurra, ich kann durch diese Augen schauen, die Augen der Liebe.

Ich und Ich

Ich höre eine Stimme in mir, die sagt: ‚Ich will nicht abnehmen!‘

Danke, dass du dich zeigst, ich nehme dich in Liebe an, ich freue mich endlich mit dir sprechen zu können. Was brauchst du von mir?

‚Fürsorge und Sicherheit. Kümmern, im Kümmern bist du nicht so gut.‘

Ja, da hast du wohl recht. Und wie soll das konkret aussehen?

‚Bei mir sein, viel mehr bei mir sein, mich nicht alleine lassen.‘

Und das Gewicht gibt dir Sicherheit?

‚Ja, es ist da, es ist schwer und ich kann es spüren, es ist immer da. Wenn nichts und niemand da ist bekomme ich Panik. Dass ich verschwinde oder ausgelöscht werde oder schrecklich leide weil ich auf mich allein gestellt bin und das nicht kann. Es schützt mich dann. Ich kann mich aus allem rausziehen, muss nirgendwo mitmachen, kann entfliehen.‘

Und das reicht? Bei dir sein?

‚Du tust ja so als wäre das kinderleicht, wenn das so wäre würdest du es tun. Nein, es ist einfach, aber nicht leicht. Du weißt doch wie schnell du weg bist, und mich ohne Liebe, ohne Begleitung, ohne Gefühl, ohne Stimme, ohne Sinne zurücklässt. Je mehr du bei mir sein wirst, desto weniger werde ich das Gewicht brauchen. Wisse, wenn du die Stimme deines Körpers nicht wahrnehmen kannst, dann geht es mir nicht gut, dann bin ich allein, dann hast du mich verloren, dann wende dich zuerst mir zu, dann allem anderen. Mache es zur höchsten Priorität in Verbindung zu bleiben, das ist alles was du tun kannst. Alles andere wird dir gezeigt werden. Der Weg breitet sich von alleine aus.‘

Wer bist du?

‚Ich bin das was lebt. Nur wenn ich es will, wirst du abnehmen, nur wenn ich ohne das Gewicht auskomme, nur wenn ich dann weiterleben kann in Sicherheit. Das Gewicht beschützt mich noch. Höre auf mich, ich sage dir alles was du wissen musst und wissen willst.‘

Wenn du das bist, was lebt, wieso brauchst du Sicherheit, von mir oder von dem Gewicht? Das verstehe ich noch nicht.

‚Weil ich hier auf dieser Welt von dir abhängig bin, ich wirke nur durch dich, du hast die Macht über mich, du kannst mich verleugnen, verstecken, nicht auf mich hören, das ist deine Entscheidung.

Aber der Körper will doch das Gewicht loswerden.

‚Der Körper schon, aber ich stehe über ihm. Wenn ich nicht will, dann kannst du sein Rufen nicht hören. Zum Beispiel immer dann, wenn du weiter isst, obwohl es klar ist, dass es genug ist.‘

Ok, ich verstehe. Wow, ich bin jetzt baff. Irgendwie auch traurig und enttäuscht. So als würde ich alles falsch machen.

‚Freuen kannst du dich, freuen weil du mich hören kannst. Ich zeige dir den Weg, mit mir zusammen ist alles leicht, alles selbstverständlich, alles gut. Freuen kannst du dich. Kannst du mir vertrauen?‘

Ja.

Kuck mal, wer da spricht!

Gleich in der Früh sprach der Körper zu mir. Er will einen grünen Smoothie. Da ich das Nötige nicht hatte, ging ich in den Laden um Spinat zu kaufen.

Normalerweise ist die Tatsache, dass ich die nötigen Zutaten nicht da habe, fast immer ein Grund es wieder sein zu lassen. Nur wegen Spinat losfahren, das lohnt sich nicht.

Doch, es gibt nichts was sich mehr lohnen würde. Im Gemüseladen dann die Artischocke. Vor zwei Tagen hat sie mich angelacht, da habe ich die nicht mitgenommen. Zu viel Anderes zu kochen wegen der Geburtstage, keine Zeit um mir eine Artischocke zu kochen. Heute habe ich sie eingepackt und sie kocht schon für das Mittagessen. Mit Vinaigrette, mhm, ich freue mich.

Zwischendurch hatte ich Hunger und was wollte der Körper Essen? Selleriestange mit Hummus. Ganz eindeutig. Ich muss ihn nur fragen, dann hält er mit seiner Antwort nicht vorm Berg. Nur dass ich sie meistens nicht haben will.

Wenn ich nicht diese Verpflichtung eigegangen wäre, hätte sich wie üblich: Sellerie, never, den esse ich nicht roh. Ich habe ihn immer da, weil ich ihn in die Suppen mit reingebe, aber roh, ne.

Doch ich habe versprochen auf den Körper zu hören, also habe ich ihn probiert. Und was soll ich sagen, es schmeckte köstlich, wirklich. Ich habe das in meinem Leben schon öfter gegessen, ich kann mich nicht erinnern dass es jemals köstlich geschmeckt hätte. Aber vielleicht wollte der Körper das früher nicht haben.

Überhaupt, DAS Essen gibt es nicht, es ist alles eine Momentaufnahme, was heute super gut tut, ist morgen schon belastend und umgekehrt. Der Körper weiß den Weg, ich bin beeindruckt.

Mit dem Konzept des Summens wie ich es bisher kennengelernt habe, konnte ich so gut wie nichts anfangen. Oft wusste ich was ich essen will und oft nicht, aber viel öfter wollte ich es nicht wissen. Und wenn eine Unklarheit bestand, dann konnte ich sie nicht klären. Mir vorstellen wie sich das anfühlt, das ist für mich nicht der richtige Weg. Einfach fragen und bereit sein zu folgen. Das ist für mich gut. Warum auch immer.

Nun ja, irgendwann, da war ich gar nicht satt, da schrie der Körper förmlich STOPP. Mehrmals und ganz laut, weil ich nicht aufhören wollte. Als ich endlich zugeben konnte, dass ich nicht aufhören will, obwohl der Körper genug hat, da konnte ich mich dem Teil zuwenden, der einfach mehr wollte, weil es grad so schön war. Bei ihm zu sein, mich zu verbinden hat ausgereicht, ich konnte aufhören.

Ich fühle mich immer noch leicht, obwohl satt.

Etwas später wartete ich auf meinen Mann, der mich an der Werkstatt abholen wollte, da sprach mein Körper, ich soll ihm doch entgegengehen. Ich folgte und es war schön und erfrischend.

Zuhause nahm ich mir gedankenlos ein Stück Schokolade, es fiel mir gerade noch ein zu fragen. Die Antwort war, ist ok, das kann ich vertragen. Es wurde mir klar, dass der Körper das ausgleichen kann, er es aber nicht braucht, es ist für ihn nicht nährend.

Gerade habe ich Yin Yoga gemacht. So schön. Mein Körper wollte das. Ich mache das selten, zu wenig Power. Ich verstehe, dass ich noch sehr oft nach einer Vorgabe handle und nicht zu meinem höchsten Wohl.

Das höchste Wohl kann nicht gegen den Körper sein, nur für ihn. Alles Gute kann nur aus der Liebe kommen, aus der Freude. Die Liebe zum Körper, die Freude am Pflegen und Sorgen für ihn, die Freude an der Bewegung führen mich auf den richtigen Weg.

Vorgaben sind Strafen und führen in den Mangel, auch in sportlicher Hinsicht, das ist für mich bisher sehr schwer zu verstehen gewesen. Da ich aus dem Leistungssport komme, ist es so fest verankert, dass ich beim Training über meine Grenzen gehen MUSS, sonst ist es kein gscheites Training. Aber gerade hier ist ein Paradigmenwechsel nötig.

Denn nur wenn ich in der Freude bleibe, kann es von Dauer sein. Freude verlangt im Schneeballsystem nach mehr Freude, also nach mehr Handlungen, die aus der Freude kommen. Und wenn Gutes, also Bewegung und nährendes Essen und andere nährende Handlungen aus der Freude kommen, dann kann die Freude wachsen und wachsen.

Wenn ich über meine Grenzen gehe, also wenn ich mich zwingen muss und dazu anhalten muss, dann kann es nicht mehr gut sein, dann ist die Freude futsch.

Ein Muss ist für mich kontraproduktiv, und irgendwie glaube ich nicht mehr an das liebevolle Muss, ich glaube ein Muss kann per se nicht liebevoll sein. Vielleicht kann man ein unabwendbares Muss so liebevoll wie möglich gestalten, das schon, aber wenn keine Notwendigkeit besteht, so wie beim Essen oder Sport oder überhaupt bei allem was frei wählbar ist, da hat ein Muss nichts zu suchen, da macht nur eine Handlung Sinn, die aus der Liebe entspringt und mit Freude ausgeführt wird. Für mich zumindest.

Besser ein winzigster Schritt mit Freude als ein riesiger Schritt mit Zwang.

Ich gehe gleich schlafen, ich fühle mich gut, nichts drückt und zwickt, der Körper hat gut auf mich aufgepasst.

Morgen mache ich weiter. Das ist zu spannend.

Spieglein, Spieglein

Zuhause habe ich fast nur Spiegel, die unverschämt dünn wiedergeben. Das war mir bisher gar nicht so klar. Woanders schaue ich auch selten in den Spiegel, zuhause oft und gern. Manchmal wenn ich an einem fremden Spiegel vorbeigehe stutze ich kurz, habe meistens keine Zeit dem näher nachzugehen.

Heute habe ich für den Geburtstag meines Sohnes Eclairs gebacken. Ich war mir so unsicher, wann der Teig nun fertig ist, und da man den Backofen nicht währenddessen aufmachen darf habe ich mich auf dem Boden vor den Ofen gesetzt um das zu beobachten.

Und dabei sah ich mich. In der Backofentür die spiegelt. Schock. Ich sehe so anders aus als ich dachte, aber ich habe endlich so ausgesehen wie ich mich fühle. Die ganze Last, die ich den ganzen Tag mit mir herumschleppe, wurde sichtbar, greifbar. Kein Moment zum Wegschauen. Hinschauen, da ist es das ganze Fett. Da ist sie, die ganze Schwere, da ist es, was dich ständig behindert, belastet.

Während ich mich so voller Neugier weiter betrachtete, mich anders hinkniete, von rechts und von links, von hinten und gebeugt, konnte ich das ganze Mitgefühl fühlen, dass ich für mich habe, so geht es mir, so ging es mir fast mein ganzes Leben, der geschundene, auseinandergegangene, schwere Körper spiegelt mir das in aller Klarheit.

Sanftheit und Verständnis stellen sich ein, ich kann nicht erwarten, dass mein Körper den ganzen Tag fit durch die Gegend hüpft, das kann er in seiner jetzigen Verfassung gar nicht leisten, er braucht so viel Kraft allein um sich zu bewegen.

Jetzt kann ich es wieder deutlich wahrnehmen, die Fetthülle, der Fettanzug, der mich beschwert. Ich kann spüren wie mein Körper ächzt unter der Last. Ich möchte mich mir ihm unterhalten.

Hallo Fett, danke, dass du dich gezeigt hast, dass ich dich heute in aller Deutlichkeit sehen konnte. Danke dass du mich gerettet hast. In nehme dich in Liebe an, jetzt in diesem Moment gehörst du zu mir. Wie geht es dir? Was brauchst du von mir?

‚Ich will nicht hier sein, ich würde gerne gehen.‘

Aber?

‚Aber du lässt mich nicht. Du hältst an mir fest.‘

Weißt du denn wieso?

‚Ja, du hast Angst vor deiner vollen Kraft. Du musst dich fragen, ob du dich vollständig dafür entscheiden willst das zu sein, was du bist.‘

Und was ist das?

‚Das weiß ich doch nicht, das weiß niemand, das wird sich zeigen.‘

Heißt das, dass ich mich bisher nicht vollständig dafür entschieden habe?

‚Nein. Hast du nicht. Du zögerst. Ein Tag ja, ein Tag nein, dir fehlt noch das Vertrauen.‘

Kannst du mir ein Beispiel geben?

‚Ok, ob obwohl du es schon weißt, aber ich sage es dir trotzdem. Heute, hast du etwas gegessen, was du nicht wirklich wolltest, weil du Hunger hattest und dir nichts anderes machen wolltest. Oder, du gehst nicht raus obwohl du Bewegung brauchst usw. du magst das Kleinigkeiten nennen, aber derlei Kleinigkeiten summieren sich. Es ist eine Entscheidung nötig, die Entscheidung hundert Prozent für dich zu gehen, für die Liebe. Du missachtest dich immer noch viele, viele Male am Tag.‘

Ja, du hast Recht.

‚Wie stand es in der Meditation? Vergeude niemals Zeit dir einzureden, du hättest keine Zeit und du wärst viel zu beschäftigt.

Jetzt höre ich den Körper sprechen, er hat etwas dazu zu sagen. Ich höre dich, lieber Körper, danke dass du mir helfen willst, was möchtest du mir sagen?

‚Merkst du nicht wie sehr ich leide? Ich ächze und stöhne. All die Symptome zeigen dir das massive Ungleichgewicht.‘

Doch ich merke es, lieber Körper, auch wenn ich es oft ausblende. Was brauchst du von mir? Wie kann ich dir helfen?

‚Höre auch mich. Hör mir zu, und mache es dann auch. Du verstehst mich zwar, aber du machst es trotzdem nicht, alles bleibt virtuell, gedanklich, unmanifestiert. Meine dringende Bitte an dich ist, bringe es in die Welt. Mache es. Mache es. Ich kann es nicht genug betonen. Das ganze Wissen und Spüren nützt rein gar nichts, wenn du nicht dementsprechend handelst. Wie oft wolltest du eigentlich rausgehen, und wie oft hast du es denn tatsächlich gemacht?‘

Fast nie.

‚Genau. Das ist der Punkt. oder wie oft weißt du, dass du etwas anderes zu essen  brauchst und machst es dir nicht?‘

Oft.

‚Darum geht es. Zu oft. Fast nie ist auch zu oft. Du bist deine Priorität, anders geht es nicht, besonders da du in der Lernphase bist, braucht es viel mehr Aufmerksamkeit.‘

Ok, ich werde darauf achten. Es erst beobachten und schauen welches Ausmaß das hat. Das wird meine Verpflichtung mir selbst gegenüber für morgen. Ich freue mich.

Einfach machen

Das angstauslösende Ereignis ist vorbei, es war sehr schön und alles ist absolut gut gegangen. Zwei Tage bin ich in ein riesiges Erschöpfungsloch gefallen, es hat mich emotional sehr geschlaucht.

Kurz vorher wurde es so schlimm, dass ich wieder gebrochen habe, da ging nichts mehr, schlagartig wurden die Augen schwer, der Schwindel überfiel mich und die Übelkeit. Da ich im totalen Funktioniermodus und noch einen straffen Plan hatte, konnte ich mich dem auch nicht einfach ergeben, mit Hilfe meiner Freundin ging das dann doch. So landete ich wieder über der Kloschüssel, und danach war die Welle vorbei, die Energie kam zurück und es ging mir wieder besser. Erstaunlich, immer wieder erstaunlich.

Was das soll, warum das so ist, wozu das so ist, das ist noch etwas im Dunkeln. Ich weiß nur, dass es alte Sachen sind, die aktuellen Situationen sind nur Boten, damit Altes aufgearbeitet werden kann.

Heute bin ich endlich wieder fitter, und schon wieder in der diffusen Bedrohung drin.

Hallo diffuse Bedrohung, ich sehe dich, danke dass du dich zeigst. Ich kann dich annehmen in Liebe. Kann ich etwas für dich tun, willst du mir etwas sagen?

Ich sehe ein Mädchen, die sich unter einem schwarzen Umhang versteckt. ‚Meine Botschaft an dich ist‘, sagt sie, ‚verfange dich nicht in deinen Gedanken, gehe in den Körper, in die Liebe und Stille, dort ist die Wahrheit‘

Oh, danke für diese Botschaft, aber was soll dann aus dir werden, aus der diffusen Bedrohung?

‚Ich suche mir einen Platz bei dir, der mir gefällt, an dem ich geborgen bin.‘

Aber gern, meine liebe diffuse Bedrohung, komm nur her und such dir einen Platz aus.

Das Mädchen setzt sich in meinen Solarplexus, ganz tief innen, geschützt und geborgen. Alles wird wieder weicher, tiefer, inniger, verbundener.

Jetzt spüre ich eine Schwere, hallo Schwere, danke, dass du dich zeigst. Ich nehme dich in Liebe an, ja das kann ich nicht nur sagen, sondern auch fühlen. Dass Annehmen und Liebe eins sind, das ist bei mir gefühlsmäßig angekommen. Was brauchst du von mir, willst du mir etwas sagen?

‚Ich brauche viel mehr Bewegung, viel mehr Training auch, du sperrst dich dagegen, aber solange du deiner Natur nicht gerecht wirst, kann ich nicht gehen. Ich meine nicht hartes Training, ich meine aber viel Bewegung. Laufen, Eislaufen, Fahrradfahren, Yoga, Krafttraining, Balancetraining. Ich kann dir sagen, dass du täglich solche Bewegung brauchst, das ist deine Natur und du weißt es auch.‘

Ja, das stimmt, aber irgendwie mache ich das nicht, da ist Widerstand. Hallo Widerstand, danke dass du dich zeigst, ich nehme dich in Liebe an, was brauchst du von mir?

Der Widerstand ist ein unglaublich dickes Mädchen, sie liegt in der Ecke, weil sie sich überhaupt nicht mehr bewegen kann, sie kommt gar nicht vom Boden hoch. Ich gehe hin und umarme sie. Sie weint. ‚Bitte verstoße mich nicht, bitte lass mich bei dir bleiben.‘

Aber sicher kannst du bei mir bleiben. Kann ich sonst noch etwas für mich tun?

‚Du musst mich in deinen Körper tragen, ich kann nicht alleine gehen.‘

Ok, ich mache das, ich hebe sie hoch und drücke sie an meine Brust, sie schmilzt durch die Haut in meinen Körper hinein und breitet sich überall aus.

Brauchst du noch etwas?

‚Nimm mich einfach immer mit und stoße mich nicht weg. Ich möchte dabei sein, so wie ich bin, ich möchte keine Aussätzige sein, und ich möchte auch nicht abgeschnitten sein von allem was Spaß macht, oder was Bewegung ist, nur weil ich dick bin. Du musst nicht warten bin ich weg bin, um dich zu bewegen, nimm mich mit, ich will das erleben.‘

Aber du bist doch der Widerstand gegen eben diese Bewegung.

‚Ja, solange ich außerhalb bin, verstoßen und ungewollt, solange klebe ich an Dir wie ein Betonsack und behindere dich. Aber wenn ich in dir sein darf, mit dir sein darf, dann werde ich leicht, dann verteilt sich mein Gewicht und behindert dich nicht.‘

Ich spüre das dicke Mädchen überall in mir, sie lächelt, weil sie hier ist, und freut sich, weil sie sich bewegen darf. Ich habe schon die Wäsche gemacht, ging ganz leicht. Ich spüre auch, diese Kleine braucht ganz viel Trost, sie ist nicht freiwillig so dick, sie leidet darunter. Sie will auch mehr Fröhlichkeit und Leichtigkeit.

Weißt du denn warum du dick bist?

‚Ja, weil ich mich nicht finden kann, ich will für mich gehen, aber da schwirren so viele Vorgaben um mich herum wie Bienen summen sie und fliegen in alle Richtungen, dass ich nur sitze und schaue und nicht weiß was richtig ist und letztendlich nichts mache.‘

Und kann ich etwas für dich tun, um dir zu helfen?

‚Ja, du kannst es einfach machen, ohne vorher zu wissen ob es richtig oder falsch ist, das wirst du dann schon merken, aber du musst es ausprobieren um dich besser kennenzulernen, oder damit ich mich besser kennenlernen kann. Ich bin diejenige, die von Vorgaben terrorisiert worden ist, ich bin das ‚gute‘ und ‚brave‘ Mädchen, das sich selbst nicht kennt und nicht vertraut, sondern in den Vorgaben der anderen verschwindet, sich bei dem Versuch zu entsprechen auflöst.‘

Einfach machen?

‚Ja, einfach machen, der Rest kommt von allein. Ich kann nur durch dich reifen, ich kann mich nur durch dich kennenlernen.‘

Mensch sein genügt

Liebe Angst, willst du dich zu mir setzen?

Ja, gerne.

Danke, dass du dich zeigst. Kannst du mir sagen, was du von mir brauchst?

Ich brauche ganz viel Daseinsberechtigung, dass ich nicht mehr verpönt, ungeliebt und versteckt werde, als dürfe es mich nicht geben. Es war so lange so.

Wie meinst du das?

Ich bin schon ganz lange da, aber früher konntest du mich nicht fühlen, ich lebte im Untergrund, das Fühlen von Angst wäre viel zu gefährlich gewesen, das durfte es nicht geben. Jetzt kannst du mich nicht mehr unterdrücken und das willst du auch nicht mehr. Doch sobald ich auftauche gerätst du in Aufruhr.

Ja, das stimmt. Ich fürchte mich dann. Angst bedeutet Gefahr.

Nein, Angst bedeutet erstmal nur Angst. Wenn du in die Augen des Löwen schaust, dann beduetet sie auch Gefahr, sonst aber nicht.

Aber es könnte etwas passieren.

Das stimmt, das könnte es immer. Du müsstest konsequenterweise immer Angst haben. Hast du das?

Nein.

Siehst du?

Nein, was soll ich sehen?

Dass es nicht darum geht, dass etwas passieren könnte, es geht um etwas anderes.

Hm. Solltest nicht du das wissen? Du bist doch die Angst.

Es geht um Schuld. Darum geht es. Sie ist dann schuld.

Ist sie schuld an der grundsätzlichen Unsicherheit der Welt?

So kennt sie es, was auch immer schief geht, sie ist schuld. Sie muss alles überblicken, alles kontrollieren.

Kann sie das denn?

Nein, natürlich nicht.

Müssen alle Menschen das?

Nein, nur sie.

Warum soll sie es tun, obwohl sie es gar nicht kann?

Sie muss versuchen das Unmögliche möglich zu machen.

Warum? Warum sie?

Weil sie sonst keine Daseinsberechtigung hat, sie muss perfekt sein.

Gibt es für sie kein Nachsehen, keine Milde, keine Freundlichkeit?

Nein, das hat sie nicht verdient, sie nicht.

Aber warum nicht, was ist an ihr so besonders?

Sie ist besonders Schuld und sie soll besonders leiden.

Warum?

Weil sie da ist.

Das ist der einzige Grund?

Ja. Mir fällt kein anderer ein.

Und nun? Ist das richtig so?

Nein, das ist falsch. Jeder der da ist darf da sein und hat das selbe Recht auf das Dasein. Es gibt keinen Grund warum sie besonders leiden müsste oder besonders schuld wäre. Sie muss nicht perfekt sein und auch nicht das Unmögliche möglich machen. Sie muss nicht alles überblicken und auch nicht alles kontrollieren. Mensch sein genügt.

Tränen, Tränen, viel Traurigkeit und viel Mitgefühl, weil es so ist wie es ist. Aber da ist auch ein inniges Gefühl des Verbundenseins mit mir, weil das, was ist, zum Mensch Sein dazugehört.

Und nun Angst? Wie geht es weiter?

Ich komme immer wieder. Darf ich dann bei dir sein?

Sicher. Jeder Gast ist willkommen, wie Rumi sagt, wer kommen will, hat seine Gründe, wer bin ich die in Frage zu stellen.

Danke, das tut mir gut.

Ich spüre den inneren Körper, dort tief drinnen ist es immer ruhig, immer schön. Ja, ich nehme an was kommt, ich bin dazu bereit. Ja ich bin bereit mich vom Leben lieben zu lassen. Bitte lieber Gott, hilf mir. So wie du mir immer geholfen hast. Danke.

Der Raum hinter der Angst

Ich habe gerade einen Selbsttest gemacht, so aus Spaß, der auswertet ob und wie stark esssüchtig man ist. Und, tadaaa!, Überraschung, ich bin überhaupt nicht esssüchtig.

Schon beim Beantworten der Fragen war mir klar, das meiste trifft auf mich nicht mehr zu, das war einmal, ist aber nicht mehr so. Die Dinge ändern sich wirklich, ändern sich umfassend und tiefgreifend.

Das macht mir Mut.

Und noch etwas habe ich festgestellt. Ich bin wieder in die Angstwolke eingetreten. Aus Erfahrung erwarte ich da nichts, sie verflüchtigt sich erst wieder, wenn das betreffende Ereignis vorbei ist.

Trotzdem habe ich angstfreie Momente. Wenn ich die Angstwelle voll annehme, wenn ich sie liebevoll hereinbitte und mich um sie kümmere, und wenn ich meine Aufmerksamkeit bewusst auf Dinge lenke, die die Liebe wachsen lassen.

Das klingt ja erstmal widersprüchlich, ist es aber gar nicht. Beide Herangehensweisen sind wichtig, habe ich herausgefunden.

Wenn ich nur bei der Angst bin, quasi beim Begleiten daran kleben bleibe, dann zieht mich das in einen Sog runter, aus dem ich nicht mehr rauskomme.

Wenn ich mich nur der Liebe zuwende, obwohl die Angst anklopft, dann laufe ich weg und verstärke sie damit, ziehe in den Kampf.

Also braucht es beides. Und das Zusammenspiel mit dem ich gut zurechtkomme ist immer die Angst zu beachten, wenn sie da ist, sie liebevoll zu begleiten, und dann aber auch aus der Liebe heraus, die Aufmerksamkeit abzuziehen und sie bewusst auf etwas zu lenken was essentiell gut ist. Z. Bsp auf den inneren Körper, auf den Atem, auf die Stille hinter den Geräuschen, auf Gott, der in meinem inneren wohnt. Was sich gerade zeigt.

Überhaupt, der innere Körper ist ein Wunder für sich. Eckhard Tolle sagt, solange wir mit dem inneren Körper verbunden sind, haben Spannungen keinen Raum.

Als ich das zuerst gehört habe konnte ich das nicht glauben. Aber ich habe es sofort ausprobiert. Und ja, sobald ich die Aufmerksamkeit auf die innere Energie lenke, setzt sie sich in Bewegung, Blockaden und Spannungen fangen an sich zu bewegen, es ist unmöglich die Spannung festzuhalten.

Mich bringt es auch in Kontakt mit einem tiefen Frieden, der unterhalb aller Wallungen liegt, mit der Tiefe des Ozeans. Noch ein Tor um diese Stille, die unbedingt liebevoll ist, zu erreichen. Denn das Liebevolle muss ich mir nicht dazu denken, muss ich mir nicht extra herholen, nein in diese tiefe ruhige Stille ist es direkt eingewoben, als sei die Stille die Liebe.

Ich bin so glücklich, am Sonntag dachte ich noch, mich erwarte eine Woche Angst, eine Angst der ich ausgeliefert bin und die ich nur irgendwie, so liebevoll wie möglich, überstehen kann.

Aber es gibt einen Raum hinter der Angst. Einen Raum der die Angst nicht wegdrückt oder negiert, der aber mit ihr durch sie hindurchgeht bis zu einem Punkt an dem die herrlichste Stille thront.

Die Wand

Das stabile geerdet Sein in der Liebe, die Verbundenheit mit dem klaren freien Teil ist nur solange da, solange ich nichts im Außen mache. Kontakt mit anderen, egal in welcher Form katapultiert mich im besten Fall ins Aushalten, im schlechtesten Fall in die Panik.

Die Erkenntnis des letzten Wochenendes. Nicht dass ich das nicht schon gewusst hätte, aber nun war der Vergleich für mich nochmal deutlicher, die Grenze schärfer und klarer sichtbar.

Angesichts all der Draußen Verpflichtungen, ist der Punkt der Ruhe, das Auge des Sturms für mich nicht mehr erreichbar.

Und wenn ich mich frage, was ich tun würde, wenn ich mich selbst lieben würde, kommt als Antwort, dass ich es annehmen würde, dass ich aufhören würde dagegen anzukämpfen. Dass ich den momentanen Stand der Dinge einfach anerkenne.

Aber leider geht das auch nicht.

Hatte inzwischen eine Therapiestunde, die erste seit sechs Wochen. Die war auch nötig. Meine Therapeutin konnte genau das für mich machen, was ich alleine nicht mehr konnte, freundlich auf alles schauen.

So konnte ich es am Ende der Stunde auch wieder. Anerkennen, dass die Wand aus Dissoziation und Angst, die sich immer wieder vorschiebt, mein Überlebensprogramm ist, mich gerettet hat.

Sobald ich sie ablehne, mich über sie ärgere, sie nicht haben will, verstärke ich nur das Muster, das Tor ist in der Liebe, nicht in der Angst.

Und in diesem Fall bedeutet Liebe, dass ich freundlich darauf schaue, dass gerade wenig Liebe zur Verfügung steht, weil die Wand alles abschneidet.

Ob ich freundlich darauf blicken kann hängt davon ab, inwieweit ich die Leistung dieses Musters anerkenne, inwieweit ich sehen kann, dass es mich gerettet hat. Und auch inwieweit ich akzeptieren kann, dass es immer und immer wieder startet und starten wird.

Denn oft schiebt sich die ‚das-war-doch-alles-nicht-so-schlimm‘ Einstellung in den Vordergrund, aber das ist die Stimme meiner Mutter, ihr Mantra, mit dem sie sich und mich eingelullt hat.

Doch es war schlimm, allein, dass ich eine solch massive Wand ausgebildet habe, dass ich so umfassend dissoziieren musste um die Angst zu überstehen, zeigt, wie schlimm es für mich war. Das braucht offensichtlich immer und immer wieder eine Anerkennung.

Aus der damaligen kindlichen Perspektive war ich hilflos der Willkür ausgeliefert, was passieren würde war nicht berechenbar, es konnte schlimm sein, es konnte tödlich sein, es konnte nichts sein. Ich musste mit allem rechnen, und konnte nichts berechnen. Totale umfassende Unsicherheit.

Nur Essen war die Grenze. Das Essen musste gesichert sein, das war das Einzige, was meine Mutter durchsetzen konnte, solange ich esse, passiert mir nichts, Time-Out, Waffenstillstand.

Ich verstehe die Zusammenhänge immer besser, in solchen Situationen hänge ich mich ans Essen, es darf nicht abreißen, sonst bin ich geliefert, solange der Essensstrom weiter fließt, habe ich Gefechtspause.

Außerhalb des Essens nur Wand, Totenstarre, nichts sehen, nichts hören, nichts fühlen, nichts schmecken, bis die Gefahr vorübergeht. Doch nach der Gefahr ist vor der Gefahr.

Wenn die Wand kommt, werde ich genau dorthin zurückgeworfen, in diese feindliche und unberechenbare Welt. Es wieder genau anzuschauen, es anzuerkennen, das bringt mich wieder in Kontakt mit der Liebe, mit meinem ganzen Mitgefühl meinem Schicksal gegenüber, mit der ganzen Milde zu der ich fähig bin.

Es kann eben nicht anders sein, aber die Liebe, die ist jetzt auch wieder da. Die Wand und die Angst bekommen auch etwas ab von der Liebe, der Druck geht runter, die Spannung sinkt.