Zur Zeit bin ich sehr wissenschaftlich unterwegs. Bisher hat das für mich kaum ein Rolle gespielt, aber nun zwingt mich die notwendige Recherche für die Abschlussarbeit dazu.
Was ich da lese lässt mich erbleichen und treibt mir kalte Schauer über den Rücken. Kurz zusammengefasst, wer dick ist und abnimmt, kommt in eine veränderte Stoffwechsellage, der Grundumsatz sinkt, der Umsatz bei Bewegung sinkt, alle möglichen Hormone, die mit Gewicht und Fetteinlagerung zu tun haben sind auf wieder zunehmen gepolt, der ganze Körper tut alles was er kann um wieder zuzunehmen, ein Jahr nach dem Aufhören mit der Abnahme, sechs Jahre nach dem Aufhören mit der Abnahme, also in der Gewichterhaltungsphase, die Forscher vermuten es könnte lebenslang andauern.
Dieser Mechanismus wird ausgelöst durch eine große Gewichtsabnahme, ein paar Kilo (so bis zu 5) lösen das wohl noch nicht aus. Es spielt auch eine Rolle, wie lange man schon übergewichtig ist. Also Normalgewichtige, die mal für eine kurze Zeit zunehmen und dann wieder abnehmen sind eher nicht betroffen.
Aber alle Dicken, die abnehmen und auch alle Dauerdiätjojoer. Deswegen können die meisten nach einer Abnahme ihr Gewicht nicht halten, der Körper will es schlicht nicht.
Und die, die es können, die verschreiben ihr Leben dem Dauerdiäten und Dauersport, sonst nehmen sie sofort wieder zu. Und, sie müssen viel weniger essen und viel mehr Sport treiben um nicht wieder zuzunehmen als eine Person von gleichem natürlichen Gewicht. Was noch hinzu kommt ist, dass viele von Ihnen, obwohl sie viele Kilos abgenommen haben, auf der Straße immer noch als dick gelten.
Wer es nachlesen will, dieser Artikel liefert eine gute Zusammenfassung einiger Studien.
Irgendwie wusste ich das schon alles, das ist meine Erfahrung über all die Jahre, aber es so schwarz auf weiß zu lesen, gemessen, gewogen und für gültig befunden finde ich schrecklich ent-täuschend.
Die einzig wirksame Methode aus medizinischer Sicht ist die Magen-OP.
Was bedeutet das für mich? Magen-OP ist für mich keine Option und ständiges Überwachen auch nicht, nie wieder will ich in die totale Kontrolle und Obsession zurück, das ist für mich kein Leben. Dann kann ich mit gutem Gewissen sagen, dann bleibe ich lieber dick.
So, was mache ich nun damit?
Eine Sache ist auch klar, trotz aller Versuche es anders darzustellen, es geht immer um eine Input-Output Rechnung. Wenn da die Bilanz negativ ist, nimmt man ab, wenn die Bilanz ausgeglichen ist hält man das Gewicht und wenn sie positiv ist nimmt man zu.
Was aber von Mensch zu Mensch, von Lebensphase zu Lebensphase und von Situation zu Situation verschieden ist, ist aus welchen Werten sich diese Bilanz bildet.
Was ich schon lange weiß, dass ich früher 25 Kilo weniger gewogen habe und knapp das Doppelte als Diät! gegessen habe, ca. das Dreifache ohne Diät. Wenn die Voraussetzungen von damals für mich gelten würden, müsste ich ja jetzt spindeldürr sein.
Ich habe vor einigen Wochen auch länger Kalorien gezählt im Selbstversuch, gekoppelt an Hunger-Sättigung und habe herausgefunden, dass ich mit 1000 Kalorien am Tag abnehme, mit 1200 schon nicht mehr, bei mehr als 1500 nehme ich langsam wieder zu. Der offizielle Grundumsatz bei meinem Gewicht wäre aber 1640 und das bei absoluter Ruhe, Alltagsbewegung und Sport nicht eingerechnet. Nun bewege ich mich im Schnitt 10.000 Schritte pro Tag und mache 5 Mal die Woche Sport. Das kann hinten und vorne nicht stimmen und bestätigt die Studienergebnisse.
Mein Körper braucht nur sehr, sehr wenig Essen. Viel, viel weniger als er früher gebraucht hat.
Jetzt muss ich die Studien auch in den passenden Kontext einordnen. Denn die untersuchten Menschen haben alle irgendeine Art von Diät gemacht, die psychologischen Ursachen des Essens wurden nicht angegangen.
Natürlich müssen sie weiterhin essen, oder es sich mit viel Aufwand verbieten, da die eigentliche Ursache nicht aufgedeckt und gelöst ist.
Wir aber, die wir gelernt haben zwischen körperlichem und anderem Hunger zu unterscheiden, die wir gelernt haben bei der Wahl des Essens auf unseren Körper zu hören, wie passen wir da hinein?
Ich habe eine Hypothese, gespeist aus meiner eigenen Erfahrung, aus Berichten anderer und aus diesen Studien:
Ich glaube ich gehöre von Natur aus zu denen, die sehr wenig Essen brauchen. Im Gegensatz zu anderen, die viel mehr essen können und ihr Gewicht halten, das ist Fakt und auch schon bewiesen, dass es das gibt, von Natur aus starke Unterschiede in der Menge der Kalorien, die ein Mensch braucht um sein Gewicht zu halten.
Im Laufe des Lebens, aufgrund von Diäten, Alter, Lebensphasen und vieles mehr, letztendlich ist es egal warum, brauche ich noch viel weniger Essen als früher. Noch viel weniger.
Wäre ich nie esssüchtig gewesen, hätte ich also nie gelernt Essen als Ersatz zu nutzen, wäre ich einfach ein Leben lang ein Mensch gewesen, der einfach wenig isst, der nicht mehr Hunger hat und mit Spatzenportionen zufrieden ist. Das passt zu meiner Kindheit, in der ich laut meiner Mutter so wenig gegessen habe, dass sie sich gezwungen sah mich täglich dazu zu zwingen und es mir sogar gewaltsam einzuführen (ich sehe auf Bilder ganz normal aus, mein Essverhalten hat einfach nicht zu den Erwartungen meiner Mutter und der Gesellschaft die sie bestimmt hat gepasst)
Warum auch immer aß ich irgendwann dauerhaft zu viel, deswegen bin ich ja dick. Und nun, auf dem Weg zurück zu mir, zurück zu meinem eigenen Wesen, zu meinem natürlichen Instinkt, zu meinem natürlichen Körper, ist das Gewicht das ich gerade habe und mühelos halten kann das momentane natürliche Gewicht angesichts all der Umstände. Die psychologische Aufarbeitung der drunterliegenden Themen hat bewirkt, dass ich in der Lage bin so viel zu essen, wie mein Körper braucht um das Gewicht zu halten. Das war ja nicht immer so, früher habe ich ohne Reglementierung stetig zugenommen, bis ich die nächste Diätphase eingeläutet habe.
Um abzunehmen müsste ich noch weniger essen.
Weniger essen ist mir ohne Qual einfach nicht möglich. Richte ich mich nach meinem Wohlgefühl, sorge ich gut für mich, dann kommt dieses Gewicht dabei raus. Warum auch immer.
Klar, von der Hungerskala aus gesehen, wenn ich nur bis 5, maximal 5,5 esse, nehme ich ab. Wenn ich bis 6-7 esse nehme ich nicht ab. Schon seit vielen Jahren habe ich diese Erkenntnis. Auch schon getestet und in Kalorien umgerechnet, siehe oben.
Aber meistens kann ich einfach nicht nur bis 5 essen, ich brauche einfach die 6 oder 7, sonst habe ich kein Wohlgefühl, sonst sorge ich nicht gut für mich, sondern quäle ich mich und kasteie mich. Über 7 habe ich schon gefühlte Jahrtausende nicht mehr gegessen, die Esssucht in diesem Sinne ist schon lange passé. Was also tun?
Ich habe mich gegen das Kasteien entschieden.
Eine (natürlich schlanke) Freundin, der ich diese ganze Problematik mal erklärt habe, hatte eine interessante Anmerkung.
Wenn ich also ausgerechnet habe, dass ich 1000 Kalorien brauche um abzunehmen, diese zur Zeit aber einem Essen bis 5-5,5 auf der Hungerskala entsprechen, was nicht befriedigend ist, was müsste passieren, damit die gleiche Menge einer 6-7 auf der Hungerskala entspräche, was dann ja befriedigend wäre? Was müsste passieren, damit ich mit so wenig Essen zufrieden bin? Wirklich zufrieden und nicht so wie jetzt, na gut, manchmal schaffe ich es wenn ich wirklich gut drauf bin und alles passt, aber die meiste Zeit ist das nicht der Fall.
Denn, nicht zu vergessen, dieses Wenige ist nötig zum Abnehmen, mit dem was nötig ist zum Gewicht halten bin ich völlig zufrieden.
Ja, so habe ich das noch nicht betrachtet, aber ja, das ist der Punkt. Die Hungerskala verändert sich laufend. Der Körper müsste noch weniger essen wollen, es müsste quasi abnehmen wollen. Die 5 müsste zur 7 werden. Der Körper müsste bei diesem Wenigen das Signal geben, dass er angenehm satt ist, sonst bleibt es in der Kasteiungsecke, wenn es mit Willenskraft geschieht, also wenn ich mich zwingen oder überreden will mit 5 zufrieden zu sein. Was müsste passieren, damit der Körper das von sich aus, mühelos und organisch will? Ich weiß es nicht.
Vielleicht kann er das erst, wenn die Seele das tut darf, was sie tun will, wenn wir mehr und mehr wir selbst werden, oder wie Jill Podjasek sagt: ‚Denk nicht mehr über das Gewicht nach, hol dir dein Leben zurück‘.
Und vielleicht, auch das ist eine Möglichkeit, werde ich in diesem Leben niemals wieder dünn werden. Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich bereit dieser Tatsache mutig ins Gesicht zu sehen. Die Hoffnung aufzugeben. Mich aus der Täuschung zu befreien. Denn seien wir ehrlich, wenn wir einfach nur die Leute um uns herum betrachten, wie viele ehemals Dicke kennen wir, die jetzt natürlich schlank geworden sind? Mühelos ihr Gewicht halten, und Essen und Gewicht ist kein Thema mehr für sie? Ich kenne persönlich niemanden. Das heißt nicht, dass es das nicht gibt, ich kenne auch niemanden persönlich, der nach einer schweren Krebsdiagnose spontan geheilt ist, es gibt diese Einzelfälle aber trotzdem, ja, aber wie häufig? Soll ich darauf meine Hoffnung aufbauen, mein Leben?
Nein. Das will ich nicht mehr. Damit ist jetzt Schluss. Ich möchte meinen Fokus weg von Gewicht und Essen, hin zu dem, was mir im Leben wirklich wichtig ist, meine Prioritäten neu sortieren, habe ich auch von Jill Podjasek (das Buch kann ich übrigens wärmstens empfehlen, es beleuchtet Altbekanntes in neuem Licht und ist eine kleine Streicheleinheit, selbst wenn ich an die unbedingte Machbarkeit des erklärten Ziels, natürlich schlank zu werden, nicht mehr uneingeschränkt glaube).
Ich will mich wohl fühlen, ich will leben, ich will mir die Freude zurückerobern, ich will das, was schon da ist genießen, denn ja, morgen kann es schon vorbei sein, und ich habe nicht richtig gelebt, weil meine Waage eine Zahl anzeigt, die ich nicht akzeptiere? Wie absurd ist das eigentlich?
Dieses Gefühl, dass mit der Fokussierung auf dem Gewicht Schluss sein muss, wird jeden Tag stärker, das anfangs zarte Pflänzchen wird größer und größer. Und der Stein in meinem Herzen wird kleiner.
Liebe Candida, wir haben ja bereits darüber gesprochen, was Du geschrieben hast und ehrlich … mir läuft es auch sehr nach. Heute machte sich eine leichte – mittelschwere Resignation breit. … aber auch ein bisschen Zuversicht…denn ich glaube, dass etwas total wichtig ist… die Selbstakzeptanz, Selbstachtung und Selbstrespekt. Vielleicht ist es ja so, wie bei denen die unbedingt schwanger werden wollen. Wenn sie endlich aufhören alles für die Schwangerschaft tun und wieder frei sind, dann werden sie schwanger. Vielleicht ist es bei uns genauso, dass wenn der Kampf aufhört und die Selbstannahme und -Liebe endlich den Raum betritt, der Körper alles von alleine regelt und dann kommt das wofür wir schon so lange kämpfen. …und dann kann keine Studie mehr etwas aussrichten. Die einzelnen Stellschrauben, die verändern nur kurzfristig etwas, aber nicht dauerhaft, es sei denn man dreht die Stellschraube immer weiter. …das ist aber nicht die Lösung- wie Du selber schreibst. Der Kampf muss gehen und die Selbstannahme mit allem kommen. Liebe Grüsse Sabine
Ja, das stimmt, der Kampf muss gehen, das passiert auch Stück für Stück, und es braucht die Erlaubnis, dass der Körper so sein darf wie er sein will, sich sein Gewicht selbst aussuchen darf, selbst wenn das bedeutet, dass er so bleiben will, denn das wissen wir nicht, wir werden es dann erfahren.
Dazu fällt mir ein: Wozu ist das gut? Wozu ist das Gewicht gut? Was sind die Vorteile daran? Also nicht im Sinne von was kompensieren wir damit, das kennen wir ja schon zur Genüge, sondern was können wir weil wir dick sind? Wie können wir das für uns nützen?