Innehalten geht nur schriftlich. Zu dieser Zeit höchsten Drucks jedenfalls. Ansonsten peitsche ich mich durch den Tag.
Und das ganz Erforschen nützt ja wenig, wenn ich nicht aktiv mein Verhalten ändere. Verhalten ändern ohne mit den zugrundeliegenden Mustern zu arbeiten nützt noch weniger. Aber das ist nicht mein Thema.
Ich liebe erforsche, hinterfragen, in den Dialog gehen, Körperübungen, alle Übungen, üben ist mir das Allerliebste. Ich habe manchmal Tage, die verbringe ich ausschließlich mit üben.
Aber machen, die Tat, das ganze Geübte, Erforschte, in die handelnde Realität bringen, das scheue ich.
Das betrifft nicht nur das Essen, es betrifft alles. Einen Stopp zu meinem Wohl zu setzen fällt mir schwer. Das kann man sogar in der Bewegungsanalyse sehen. Der Fließrhythmus ist ganz meiner, dort kann ich mich ewig aufhalten, also mich treiben lassen, hier ein wenig, dort ein wenig, la, la, la, den Stopp-Rhythmus mag ich gar nicht. Da muss ich aktiv eine Entscheidung treffen, eine klare Handlung vollziehen.
Und so zerrinnt meine Zeit, während ich es nicht schaffe eine Struktur hineinzubringen. Das gilt sowohl beim Vermeiden von Aufgaben als auch bei der Arbeit. Wenn ich in einem Modus bin, kann ich mir schwer eine Änderung erlauben. Wenn ich am Schreibtisch sitze und merke, dass ich total müde bin und mir vornehme mich kurz hinzulegen, dann sage ich mir innerlich ‚ja, gleich‘ und mache noch ein wenig dies und ein wenig das, und schwupps ist die Zeit rum und ich kann mich nicht mehr hinlegen. Und das passiert nicht einmal, sondern sehr, sehr oft.
Eben hatte ich einen Kuchen für den Kindergeburtstag morgen in den Ofen geschoben, setze mich an der Schreibtisch und obwohl ich, als es Zeit wurde, wusste, dass ich jetzt nach dem Kuchen schauen muss, tat ich es nicht, ich schindete innerlich Zeit (keine Ahnung wieso), so dass er mir ein wenig angebrannt ist. Ich verstehe mich selbst nicht. Warum fällt mir das so schwer?
Ich habe gerade in meinem Lehrbuch über den Stopp-Rhythmus gelesen. Es ist typisch für Suchtverhalten, das der Stopp-Rhythmus fehlt. Der Rhythmus des Unterbrechens. Fließrhythmus ist dagegen das Laufenlassen. Das Zusammenspiel der beiden braucht ein Gleichgewicht. Das ist bei mir eindeutig nicht da.
Das fehlende Stopp zeigt, das ich das Leben nicht in die Hand nehme und mich scheue Dinge zu entscheiden, so steht es weiter, und kann eine Folge von traumatischen Erlebnissen sein. Je weniger wir von uns aus ein Stopp setzen, desto mehr lassen wir uns von äußeren Faktoren bestimmen.
Und ich ergänze: auch von inneren Faktoren.
Genau jetzt ist es wieder soweit. Ich wollte weiter kochen, aber stehe einfach nicht auf. Ich zögere es hinaus.
Warum?
Ich will nicht.
Du willst nicht kochen?
Doch schon, ich will nicht aufstehen, ich will nicht unterbrechen.
Weil?
Das so anstrengend ist.
Inwiefern?
Das braucht so viel Kraft, irgendwie, mich durchzusetzen.
Gegen wen?
Gegen die Resignation.
Oh. (Ich fühle rein, und tatsächlich, da ist ein Teil, der ganz resigniert in der Ecke liegt und gar nichts tun will)
Was ist los mit dir Resignation?
Alles ist sinnlos.
Was ist alles?
Bemühungen, Hoffnungen, Anstrengungen, alles sinnlos.
Was bedeutet sinnlos?
Nichts wird sich jemals ändern.
Das ist mir zu schwammig. Was wird sich nicht ändern?
Die Aussichtslosigkeit.
Hm. Ich verstehe es immer noch nicht.
Egal was ich tue, es ändert nichts.
Naja, wenn du ins Wasser gehst, wirst du nass, oder?
So was meine ich nicht.
Ja was meinst du denn?
Sinnlos, Anstrengungen sind sinnlos, nichts ändert sich.
Hast du dich schon mal angestrengt?
Und wie, ich habe gekämpft und gekämpft bis zur totalen Verausgabung, aber es hat nichts genützt. Ich wurde nicht gesehen, ich wurde nicht beschützt, ich wurde nicht geliebt. Das ist einfach so.
Ich weiß, ich weiß sehr wohl. Aber weißt du, das die Menschen von denen du das damals gewollt hast dazu überhaupt nicht in der Lage waren, es also tatsächlich aussichtslos war?
Ja.
Und weißt du auch, dass du das damals nicht wissen konntest, du hattest gar keine andere Wahl als so zu handeln?
Ja.
Und weißt du auch, dass du heute einen Überblick hast, du hast die Fähigkeit einzuschätzen ob etwas aussichtslos ist oder nicht, du bist in der Lage dich aus aussichtslosen Situationen zu entfernen. Du bist nicht mehr ausgeliefert. Weißt du das?
Irgendwie nicht. Das verwirrt mich jetzt. Echt?
Ja. Du musst deine Kraft nicht mehr in aussichtslose Dinge stecken. Du kannst beurteilen welche Dinge aussichtslos sind. Du kannst deine Kraft in die Dinge stecken, die eine realistische Chance haben.
Oh. Das stellt meine Welt auf den Kopf. Da muss ich nachspüren.
Ich stelle dir trotzdem noch eine letzte Frage. Wenn es ums Essen geht, um ein Stopp beim Essen, glaubst du, es besteht die realistische Chance, dieses Muster zu ändern? Glaubst du der Krafteinsatz lohnt sich?
Obwohl ich keinen Menschen kenne, dessen dahingehende Entwicklung ich wirklich selbst miterlebt hätte, sondern solche dauerhaften Veränderungen von Mustern nur aus Erzählungen kenne, deren Wahrheitsgehalt ich nicht überprüfen kann, glaube ich trotzdem daran. Tief drinnen weiß ich, dass die Fähigkeit ein Stopp zu setzen sehr wichtig für mich ist. Sehr wichtig.
Ein Stopp aus Liebe.
Liebe CK,
das mit dem Stopp Rhytmus kenne ich nur zu gut. Ich kann dann immer kaum glauben, dass ich mich aktiv für eine Handlung entscheiden muss und auch dann noch fällt sie so schwer.
Mir passiert das ganz häufig und mich frustriert das dann so. Komisch, erst als ich gerade bei Dir davon las, merkte ich das ich das so habe. … aber es ist bei mir auch ganz häufig so, dass ich viel zu spät innehalte und dann schon so erschöpft bin, dass die Aussicht auf weiteres GOGOGO mich irgendwie schachmatt setzt.
Stop in the name of LOVE. Viel früher anhalten und auch mit innehalten und fühlen und sich arbeiten irgendwie im Fluss des Tages bleiben können.
Liebe Grüsse
Himmelszauber