Ich lege bewusst den Fokus nicht auf das Essen.
Trotzdem, oder gerade weil, sobald ich verbunden bin, ändert sich etwas.
Gerade habe ich mir Frühstück gemacht. Heute morgen zieht es mich sehr oft weg, immer wieder schiebt sich das Grau, das alte Land in den Vordergrund.
Das alte Land ist die biographisch gelernte, erworbene Angst, das neue Land ist die Liebe, das was unser natürlicher Zustand ist, der Zustand in dem wir auf die Welt kommen. Bei Marianne Willliamson steht, wenn Liebe da ist, hat Angst keinen Platz, alles, alles wird von der Liebe durchleuchtet und verwandelt.
Heute tippele ich also auf der Grenze herum, ich falle mal nach links ins alte Land und gehe dann wieder bewusst nach rechts ins neue Land.
Im neuen Land weiß ich genau was ich essen möchte und gönne mir die Zubereitung, im alten Land mache ich mir viel zu viel davon auf den Teller, die Angst zu wenig zu bekommen ist da.
Die Liebe, mit der ich mich während des Essens verbinden konnte, erlaubt mir zu verlangsamen, zu spüren, dass ich esse und wie es schmeckt. Wow, wirklich, mit der Liebe verbunden geht es gar nicht anders, mir dann das Essen nebenbei reinzuschieben wird sicht- und fühlbar als das was es ist: Gewalt. Die Illusion des ‚Guten‘, dass Essen sonst fast immer für mich hat schmilzt dahin in der Liebe.
Ich werde unsicher, ob ich noch Hunger habe oder nicht. Die Angst will, dass ich jetzt ganz genau untersuche und erforsche und nachspüre um ja keinen Fehler zu machen. Der Druck steigt.
Die Liebe besänftigt, sie vertraut darauf, dass ganz klar ist wann genug ist. Es ist keine Anstrengung nötig. Ich verbinde mich, es wird innerlich wieder weicher und wärmer, ich kann das Vertrauen spüren, dass ich wissen werde, wann es genug ist. Und wenn nicht, dann ist es gar nicht schlimm, sagt die Liebe. Das bringt die Angst endgültig zum Schmelzen.
Ich esse in völliger Ruhe weiter, und trotzdem irgendwie nebenbei. Ich kann es nicht anders beschreiben, oder vielleicht so: ohne dem Essen eine höhere Bedeutung beizumessen, als es hat. Es bekommt seinen richtigen Platz.
Was für eine Wohltat. Mit fällt ein, vor Jahren hat mir eine SuH-Therapeutin (aus der ersten Ausbildungsgruppe) gesagt, wenn man etwas an sich Gutes tut, wie zum Beispiel langsam essen oder sich hinlegen wenn man müde ist, das nur vom Verstand her tut, aber nicht die volle innere Erlaubnis dazu hat, dann nährt es nicht, dann verursacht es im Gegenteil noch mehr Druck oder Stress. Das habe ich damals registriert aber nicht verstanden.
Aber jetzt. Wenn ich aus vollen Herzen ja sagen kann dazu, dann nährt es mich. Wenn es aus der Liebe geschieht und nicht aus der Angst, aus der Angst etwas falsch zu machen z. Bsp.
…
Puh, Alarm, Trigger. Meine Mutter rief eben an. Mein Vater kann den Namen unserer Sohnes nicht leiden, also hat er ihn umbenannt, eine Abkürzung erfunden, die nur er benutzt, sonst keiner. Außer meiner Mutter wenn er in der Nähe ist. Wie eben. Sie stockte noch bevor sie den Namen nannte, bei uns nennt sie seinen richtigen Namen, jetzt fiel ihr gerade noch rechtzeitig ein, dass mein Vater wohl mithörte.
Sofort steigt Wut und Abscheu hoch. Ich fange an was dazu zu sagen, merke sofort, dass es sinnlos ist wie immer. Das alte Land stürmt über mich hinweg, ich werde mitgerissen, so schnell und heftig geht das. Das Telefonat ist längst vorbei, und ich bin immer noch mitten im Sturm. Altbekannter Sturm, schon tausend Mal gehabt.
Ich rufe die Liebe. Sie kommt sofort und tröstet mich erst, erlaubt mir den Schmerz zu fühlen, der unter der Wut liegt. Es ist so unendlich traurig, dass sie immer noch mitmacht, dass sie nicht sehen kann, wie absolut unnötig es ist, dass sie ihm nicht gehorchen muss. Die Liebe lässt mich auch verstehen, dass sie es eben nicht kann. Jetzt nicht, vielleicht nie. Die Liebe lässt mich annehmen, dass offener Widerstand in ihrem (meiner Mutter) Repertoire nicht vorkommt. Sie fürchtet die Konsequenzen, sie ist 24 Stunden am Tag mit ihm zusammen. Sich zu unterwerfen ist für sie das kleinere Übel. Ich kann es nicht verstehen, also nachfühlen, es ist zu weit weg von mir, aber durch die Liebe kann ich akzeptieren, dass es so ist.
Die Liebe bleibt bei mir und steht mir bei, während die Welle langsam abklingt.
Sofort kippe ich ins alte Land, das schlechte Gewissen packt mich, du warst aber unfreundlich und kurz angebunden, besonders angesichts der neuen Erkenntnisse, dass sie nicht anders kann.
Ich mache den Schritt über die Grenze ins neue Land. Die Liebe nimmt mich fest in den Arm, hab Erbarmen mit dir, du warst total überfordert, mitten im Sturm der Wut, es war das Gnädigste was du tun konntest, dieses Telefonat schnell zu beenden. Gnädig dir gegenüber und auch gnädig ihr gegenüber.
Ja, das stimmt, ich kann den Trost spüren, auch ich konnte in diesem Moment nicht anders, ich habe es so gut gemacht wie es ging. Der Frieden kehrt wieder ein.
…
Das Universum schreitet zügig voran. Kaum habe ich etwas bewältigt kommt die nächste Herausforderung.
Meine Mutter schreibt mir immer wieder Emails in denen sie mich kritisiert, was ich alles falsch mache usw. Normalerweise lese ich sie nicht, sondern lösche sie gleich.
Heute habe ich eine solche gelesen. Das Telefonat vorhin scheint sie recht getriggert zu haben, denn es ist die Rede von meinem ‚unermesslichen Egoismus‘, dass ich grundsätzlich ‚respektlos gegenüber anderen‘ bin, und ’so faul, dass mein Mann und die Kinder darunter leiden‘. Das ist alles O-Ton. Normalerweise höre ich solche Dinge von meinem Vater. Sie denkt es auch, natürlich, jetzt stimmt das Bild wider, deswegen bleibt sie auch bei ihm, sie hängen an der selben Kette fest.
Meine übliche Art damit umzugehen, ist dass ist so tue als hätte ich das alles gar nicht gehört bzw. gelesen. Heute habe ich mir erlaubt das wahrzunehmen. Getragen von der Sehnsuchtsmutter konnte ich der Trauer Raum geben, der Trauer darüber, dass die eigene Mutter so von mir denkt, dass sie so voller Hass ist, dass sie sich so ein Bild zurechtgerückt hat.
Und als die Welle der Trauer vorbei war, blieb Mitgefühl für mich übrig, vor allem für mich als Kind, weil ich genau diesem Hass ausgesetzt war, weil ich mich fast mein ganzes Leben durch ihre Augen gesehen habe. Ja, all das was sie über mich denkt, all das dachte ich bis vor Kurzem selbst über mich.
Im Licht der Liebe weiß ich, dass sie Unrecht hat, da gibt es keinen Zweifel. Und ich sehe ihre Verstrickungen ganz deutlich, sie lebt ihr Leben nicht, und die anderen sind daran Schuld. Aber so aggressiv und bösartig hat sie das noch nie geäußert, sie will ja unbedingt als unantastbar gut dastehen.
Ich drifte wieder ab, ich betrete wider das Land der Angst, jede Menge Bösartiges fällt mir zu meiner Mutter ein. Das kenne ich aber alles. Dieser Teil in mir will ihr unbedingt alles an den Kopf werfen, eine riesige Email schreiben, in der alles aufgezählt ist.
Und dann, was kannst du dann?
Sie soll es endlich einsehen!
Hast du ihr das denn noch nie gesagt?
Doch schon oft.
Und hat es etwas genutzt?
Nein, nichts. Du hast recht, es ist aussichtslos, sie wird es nicht so sehen wie ich.
Trauer. Tränen.
Kann ich es anders sehen?
Ja, die Liebe sagt, es ist wie es ist, die Zusammenhänge sind klar, die Verstrickungen kann ich sehen, es ist weder meine Aufgabe noch liegt es in meiner Macht meine Mutter vor ihrem Schicksal zu retten. Aus Respekt vor ihrer Kraft lege ich die Verantwortung für ihr Leben da wo es hingehört, in ihre Hände.
Ich darf und muss mich abgrenzen. Ich sage deutlich STOPP. Ich habe ihr geschrieben, dass ich solche Anschuldigungen in Zukunft nicht mehr hören möchte. Das war mein Zeichen an sie. Was sie daraus macht ist ihre Sache.
Es fühlt sich gut an, so insgesamt, ich bin durch Verschiedenes gegangen, heftige Wellen waren das, aber mein Vertrauen, dass mich die Liebe da hindurch leitet war groß. Es gab keinen Moment der Überwältigung.
Es wird wieder ruhig in mir.
…
Es wäre wohl besser gewesen nichts zu schreiben wie sonst. Sie fühlte sich dazu angehalten zu antworten. U.a dass ich wohl zu sehr geliebt worden bin und das sich das schnell ändern kann. Ich bin total baff angesichts von so viel Realitätsverlust. Mein Mann auch.
Jedes Wort ist sinnlos. Trotzdem war es gut ganz klar eine Grenze gezogen zu haben. Das fühlt sich gut an.
Ich verbinde mich noch mal bewusst mit der Sehnsuchtsmutter, ihre Kraft ist wieder stark, ich scheine sie sehr zu brauchen. In ihrem Licht erscheint all diese Auseinandersetzung als das was es ist, traurig und falsch, falsch in dem Sinne, dass es am Wesentlichen vorbei geht, an der Liebe. Aber es kann nicht anders sein.
Sie hilft mir zu sehen, dass ich heute nicht mehr dort stehe, ich habe das längst hinter mich gelassen, in meiner Welt ist Licht und Liebe und Freude. Es wird mir ganz warm und freudig ums Herz.