Gewicht und nochmal Gewicht

Mal wieder das Thema Gewicht, oder immer noch. Es ist auch Teil des Spiels, dass ich gerne hätte, dass das endlich kein Thema mehr ist.

Aber es holt mich auf allen Ebenen ein. Aktuell als Thema für meine Abschlussarbeit. Am letzten Wochenende sollten wir eben dieses Thema finden. Es sollte ein Herzensthema sein. Und bei dieser Frage gab es keine Alternative, Gewicht ist mein Herzensthema, zur Zeit und schon lange und immer noch.

Soweit noch ganz einfach. Aber dann wurde es schon flugs schwierig. Denn wie genau? Was könnte ich denn überhaupt zu diesem Thema erforschen? Oder fragen? Gibt es da auch Herzensfragen?

Ja, gibt es. Die Fragen, die in mir brennen, sind: Gibt es dieses natürliche Gewicht überhaupt? Und wie sieht es aus? Wie erkenne ich das? Und bin ich dann auch automatisch innerhalb des Normalgewichts, laut BMI zum Beispiel? Und wie sieht es aus mit meinem Körperbild? Finde ich mich dann selbst auch schön? Fühle ich mich wohl?

Denn ich habe schon auf alle erdenklichen Arten versucht abzunehmen. Intensiv und ausdauernd. Aber, ich habe keinen Weg finden können, der von Dauer ist. Esssüchtig bin ich zwar schon lange nicht mehr, also bleibt mein Gewicht konstant, konstant hoch. Ich habe zwar gerade erst eine längere Phase gehabt, in der ich wirklich wenig essen konnte, und habe auch gleich 6 Kilo abgenommen. Die Phase war irgendwann wieder vorbei. Das Gewicht halte ich mühelos. Halten geht leicht, abnehmen nicht. Da muss ich absichtlich unterkalorisch bleiben, da hilft nichts, ob ich es mache indem ich Kalorien zähle oder indem ich nur bis zur allerersten Sättigung esse, wie ich es gemacht habe, es ist für mich nicht von Dauer, weil es nicht befriedigend ist.

Vielleicht noch nicht, aber ich spreche nur vom Jetzt, denn ich weiß nicht, ob das jemals anders werden wird. Und was dann? Will ich mich ein Leben lang schlecht fühlen, weil ich es nicht schaffe Vögelchen Portionen zu essen? Weil ich mit zwei Kartoffeln satt und zufrieden bin, ich aber nur mit einer Kartoffel abnehmen kann? Ich will mich wohl fühlen. Wohl fühlen. Und mit einer Kartoffel fühle ich mich nicht wohl, mit meinem Gewicht aber auch nicht.

Und das führt mich zur nächsten Frage. Mit zwei Kartoffeln fühle ich mich also wohl. Körperlich angenehm satt, seelisch auch. Fühle mich leicht und fit. Bin stark und kraftvoll. Warum fühle ich mich dann mit meinem Gewicht nicht wohl? Auf jeden Fall weil ich nicht so aussehe wie ich mir das vorstelle.

Es war ein großer Wunsch fitter zu werden. Inzwischen mache ich wieder mindestens 5 Mal die Woche Sport, 3 Mal davon jogge ich. Das habe ich mir zurückerobert. Ich trainiere mit Begeisterung auch an anderen körperlichen Fähigkeiten. Und sehe Ergebnisse, fühle mich immer fitter und ausdauernder. Warum fühle ich mich dann mit meinem Gewicht nicht wohl? Weil ich nicht so aussehe wie ich mir das vorstelle.

Meine Blutwerte sind völlig in Ordnung, sie waren schon mal leicht außer der Norm, bei der letzten Untersuchung, nach dem ich bereits wieder seit Monaten im Training stehe, alles im normalen Bereich. Warum fühle ich mich mit meinem Gewicht nicht wohl? Weil ich nicht so aussehe wie ich mir das vorstelle.

Daraus folgt endlich die Frage: Woher kommt die Vorstellung wie ich aussehen soll? Ist es mein persönliches Schönheitsempfinden, nein anders, denn es ist mein persönliches Schönheitsempfinden. Die Frage muss vielmehr lauten: Hat mein persönliches Schönheitsempfinden mehr mit einem Idealbild zu tun, dass ohne Rücksicht auf persönliche Gegebenheiten und Umstände als Ziel angestrebt wird oder mehr mit einem liebevollen Blick auf mich selbst in dem Schönheit mein Wohlfühlen von innen und meine biologischen Vorgaben einschließt?

Und wenn das Wunschbild trotz der momentanen Unerreichbarkeit ein anderes bleibt, was quasi eine Lizenz zum Dauerunglück bedeutet, was tun damit?

Ich schreibe momentan, denn letztendlich weiß ich nicht, ob ich es nicht doch irgendwann erreiche oder dem zumindest näher komme. Aber was nützt es mir heute? Heute bin ich deswegen unglücklich, ein verschwendeter Tag.

Ich habe gestern bei meinen Recherchen eine interessante Studie zum Thema Set Point gefunden. Es scheint, dass der Körper immer ein Gewicht hat zu dem hin er sich regulieren will, egal was man anstellt. Das ist Teil eins.

Teil zwei ist, dass dieses Gewicht erstmal genetisch bedingt ist, und bei manchen auch in einem Bereich sein kann, den wir als übergewichtig ansehen.

Es konnte aber festgestellt werden, dass man diesen Set Point nach oben manipulieren kann. Durch dauerhaftes zu viel Essen, korrigiert der Körper sein Zielgewicht auf einen höheren Set Point.

Andersherum konnte es aber nicht gezeigt werden. Wenn wir nämlich weniger essen, wehrt sich der Körper gegen die Abnahme und senkt den Grundumsatz deutlich unter denen, die natürlicherweise dieses Gewicht haben. Im Klartext: Wenn wir zwei Personen nehmen, die dasselbe wiegen, so kann die Person, deren Set Point bei diesem Gewicht ist deutlich mehr essen ohne zuzunehmen, als eine Person, die dieses Gewicht durch eine Abnahme erreicht hat und deren Set Point höher ist. Übergewichtige, die abgenommen haben, mussten dauerhaft bei 1000 Kalorien am Tag bleiben um nicht wieder zuzunehmen, während eine Person mit dem selben natürlichen Gewicht mindestens 1400 Kalorien essen kann ohne zuzunehmen. Der Körper versucht das alte hohe Gewicht zu erreichen. Wenn er dort angekommen ist, dann erhöht er den Umsatz auf einen durchschnittlichen Wert.

Wenn man den genetischen Set Point in eine Richtung ändern kann, dann wäre es nur logisch, dass man ihn auch in die andere Richtung ändern kann. Bei Ratten ist dies gelungen durch Manipulationen am Hypothalamus, das unter anderem für die Regulation der Nahrungsaufnahme zuständig ist. Nun ja, für uns wohl erstmal keine Lösung. Es zeigt aber auch, dass da ein sehr empfindliches System beteiligt ist, das leicht störungsanfällig ist. Und dass es vielleicht gar nicht in unserer Macht liegt es zu beeinflussen.

Als ich das gestern gelesen habe war mein erster Gedanke: Oh mein Gott, was ist wenn ich es WIRKLICH nicht mehr ändern kann? Das hat mich sehr getroffen, denn in mir lebt immer noch das Wenn/Dann Wesen. Wenn ich es endlich geschafft habe, dann beginnt ein neues Leben. Und wenn es nicht zu schaffen ist? Oh Gott, was mache ich dann?

Ich lechze nach einem Brillenwechsel. Weg mit der: ‚Wie kann ich endlich so werden wie ich sein soll‘ – Brille und her mit der ‚Wie kann ich auf allen Ebenen gut für mich sorgen‘ – Brille. Oder anders: Sorge ich gerade gut für mich?

Ich habe die Brillen feierlich getauscht. Spannend.