Die Sonne ist immer da

Was auch immer wir tun, das uns langfristig schadet, zu viel Essen, trinken, einkaufen, aufs Handy schauen, und, und tun wir nur aus einem einzigen Grund. Wir fühlen uns gerade schlecht und wollen uns besser fühlen. Am Anfang hat es warum auch immer mit irgendeiner Strategie funktioniert, also wiederholen wir sie und wiederholen sie. Irgendwann wird die Strategie selbst zum Problem. Wir glauben sie tun zu müssen, als würde uns eine fremde Macht steuern, der wir ausgeliefert sind. Jetzt kommt der Zeitpunkt, an dem wir versuchen, das unerwünschte Verhalten loszuwerden. Weil wir denken, das sei unser Problem. Weil wir denken mit uns stimme etwas nicht, weil wir dieses Verhalten immer und immer wieder tun.

Und meistens wissen wir nicht, dass wir uns bei der Beurteilung unserer Situation auf eine ganze Reihe von Missverständnissen stützen.

Das erste Missverständnis ist, dass mit unserem Verhalten etwas nicht stimmt. Unser Verhalten ist das Beste was wir tun konnten, um uns besser zu fühlen, und das ist ein Zeichen von Gesundheit. Wir wussten uns zu helfen. Dass diese Hilfe langfristig ins Gegenteil umschwenkt, dass konnten wir damals nicht wissen.

Das zweite Missverständnis betrifft den Grund, warum wir uns helfen mussten: wir fühlen uns schlecht und wollten etwas tun, um uns besser zu fühlen. Denn wir glaubten, dass es irgendwie schlecht oder gefährlich oder unerträglich ist uns schlecht zu fühlen.

Und dann glaubten wir auch, dass es nötig sei etwas zu tun, sonst würden wir uns bis in alle Ewigkeit schlecht fühlen. Drittes Missverständnis.

Die Dinge nehmen ihren Lauf, und wir haben vielleicht unzählige Therapien gemacht, Bücher gelesen, Kurse besucht, sind vielleicht sogar selbst Therapeuten geworden, so ging es mir zumindest.

Ich hatte schon immer eine Neigung zum Einser-Schüler, also habe ich alles was ich fand auch intensiv betrieben, ich habe gefühlt bis zum geht nicht mehr, ich habe meine Gedanken aufgeschrieben, hinterfragt, verstanden, ich habe meine inneren Kinder aufgespürt, getröstet, verstanden was mit ihnen los war oder ist, ich habe meine Körperwahrnehmung verbessert, mein Verhalten untersucht und verändert, Aufstellungen alles Art, Energiearbeit, Meditation und alle möglichen Arten von Yoga, Körperarbeit, Tanztherapie und, und.

Eines änderte sich nie: Mir ging es schlecht. Wann immer ich eine Therapiestunde anfing war das mein Standardsatz: Ich mache das alles (was der Therapeut oder wer auch immer gesagt hat, dass mir helfen soll), und es ist auch gut, aber es geht mir einfach immer noch schlecht. Das hilft alles nichts, das schlechte Gefühl kommt immer wieder.

Meistens hieß es, dass es nicht so schnell geht und ich Geduld brauche. Das habe ich natürlich verstanden, auch wenn Geduld nicht zu meinen Kernqualitäten gehört. Natürlich haben mir all diese Dinge geholfen, vor allem mit dem Teil an dem sie mich lehrten zu tolerieren was ist. Also lernte ich zu tolerieren und damit umzugehen, dass mit mir nun mal was nicht stimmt, dass ich einfach gezeichnet und schwer traumatisiert bin und dass ich das vielleicht mal irgendwann so weit auflösen werde, dass ich nicht mehr dauernd leide, aber wer weiß wann und ob. Ich habe nicht aufgegeben, neue Methoden, Therapeuten, Seminare, Bücher mussten her. Ich habe immer wieder Therapeuten, Weiterbilder und Seminarleiter gefragt: Ok, diese Methode ist schön und gut. Wenn ich also das Glück habe ihr zu begegnen und das Geld habe viele Therapiestunden zu bezahlen, dann geht es mir vielleicht irgendwann besser. Aber was ist wenn ich das alles nicht habe? Die Mehrheit der Menschheit leidet und hat diese Möglichkeiten nicht. Bin ich dann dazu verdammt ein Leben in Leid zu leben? Darauf habe ich noch nie eine Antwort bekommen.

Irgendwann habe ich etwas gelesen, dass mir sofort gute Laune gemacht hat, auch wenn ich es erstmal nicht geglaubt habe. Vielleicht habe ich es vorher schon tausendmal gelesen, aber es kam bei mir nicht an. An diesem Tag schon.

Mit uns ist nichts verkehrt, wir sind immer heil und gesund und in Frieden. Immer. Wann immer wir uns schlecht fühlen und nicht heil und in Frieden, stecken wir im Sturm unserer Gedanken und Emotionen fest und glauben, dass das alles ist was ist und dass es schlecht ist, dass es so ist, und dass wir dringend etwas tun müssen, damit es sich ändert.

Und das ist das grundsätzliche Missverständnis.

Denn eigentlich sind wir wie das Wetter, diese Analogie, die ich gehört habe, gefällt mir so gut: Die Sonne ist immer da, auch bei Sturm, Regen, Hagel, Wolken. Wir sehen sie nicht, aber wir wissen, dass sie da ist. Und wenn ein schlechtes Wetter aufzieht, woher auch immer es kommt, hat es nichts zu bedeuten über die Qualität der Sonne. Es ist nur Wetter. Niemand muss etwas unternehmen, damit das Wetter vorüberzieht, es tut es von ganz alleine.

Alles was wir fühlen und denken kommt und geht, egal was wir tun, selbst wenn wir durch all unsere Techniken versuchen es festzuhalten und zu beeinflussen. Wir wollen das gute Gefühl festhalten und das schlechte loswerden. Aber das geht nicht. Beide kommen und gehen von ganz allein, und darunter sind wir immer heil und gesund und weise und in Frieden.

Wir brauchen die Gefühle nicht zu fürchten, kein Gefühl braucht gefürchtet werden und es bedeutet nichts. Es bedeutet nicht, dass mit uns etwas nicht stimmt, es bedeutet nicht, dass wir etwas falsch machen oder dass wir etwas tun müssen. Es bedeutet nur, dass eine Energie durch uns hindurch zieht, die bestimmte Körperempfindungen verursacht. Diese Energie ist immer in Bewegung und zieht weiter, verändert sich laufend, von ganz alleine, ohne dass wir etwas tun, ohne dass wir etwas tun können.

Unser ganzes Ackern ist letztendlich völlig sinnlos, wir fühlen uns sogar trotz des Ackerns irgendwann besser. Von ganz allein. Und wenn wir uns gerade schlecht fühlen, dann ist das auch kein Thema. Das Wetter ist gerade schlecht.

Ich will um Gottes willen nicht sagen, dass diese ganzen Techniken schlecht sind. Nein, alle haben etwas Gutes in sich, können Spaß machen und wohltuend sein. Was ich sagen will, ist, dass wir keine Technik brauchen. Wir werden uns schlecht fühlen, wir werden uns gut fühlen und das wird immer in Bewegung bleiben. Es ist nicht notwendig irgendwas deswegen zu tun.

Als ich das auf einmal verstanden habe, war etwas anders. Alles war gleich, ich fühlte mich mal schlecht und träge und energielos, ich fühlte mich mal unruhig und genervt und wütend, und mal grundlos traurig, und auch mal entspannt und fröhlich und freudig. All das ist da. Aber ich verwechsle das nicht mehr mit der Tiefe dessen wer ich bin. Ich bin all das, und egal in welchem Sturm ich gerade stecke, weiß ich, dass das nichts weiter zu bedeuten hat. Da ist auch immer die Sonne in mir, mein heiles, gesundes, friedliches Wesen.

Wenn ich mich schlecht fühle, ist das ein Zeichen, dass ich gerade glaube, dass der Sturm alles ist was ich bin, dass ich glaube etwas falsch gemacht zu haben oder das etwas mit mir nicht stimmt , weil er da ist, und dass ich glaube etwas tun zu müssen, um den Sturm zu beenden. Sobald mir einfällt, dass der von ganz allein vorüberzieht und dass Stürme kommen und gehen, dass das die Natur der Dinge ist, und alles im Fluss ist und alles von allein wieder geht, dass ich für den Sturm nicht verantwortlich bin und es auch nichts über mich aussagt, kann ich wieder entspannen und tun was auch immer ich im Sturm gerade tun will. Vielleicht verkrieche ich mich unter der Decke, oder vielleicht ziehe ich mich wetterfest an und gehe im Sturm spazieren.