Schweres Erbe

Seit der Verletzung bin ich in Wut. ‚Es ist so gemein, es ist alles so schwer, noch schwerer als es eh schon war, niemand kümmert sich um mich, kaum ging es etwas besser schon bekomme ich vom Leben einen Dämpfer, das Leben ist gegen mich, es ist zu schwer für mich.‘

Das Leben ist für mich zu schwer, das ist der Satz der am stärksten resoniert.

Wie meinst du das? Was heißt schwer?

Ja mühsam halt, schwer, anstrengend, freudlos, ohne Leichtigkeit.

Ok. Und ist das nur für dich so?

Nein, aber nicht für alle. Manche können das Leben genießen, manche lieben das Leben.

Und du nicht?

Nein. Ich hänge daran, ich möchte nicht sterben, aber ich liebe es auch nicht, ich finde ständig etwas daran auszusetzen.

Ah! Du findest ständig etwas daran auszusetzen. Das hast du gesagt!

Ja, weil daran auch ständig etwas auszusetzen ist. Es ist ja schwer.

Was zum Beispiel?

Na, das Ganze mit dem Unfall. Krücken, Mühe, Einschränkung. Ich will nicht, ich will nicht, ich will nicht!

Was noch?

Das ist überhaupt zu irgendetwas gezwungen werde, das will ich nicht, ich will nicht. Und dauernd habe ich Angst. Das will ich auch nicht.

Wovor hast du Angst?

Vor dem Kurs heute wieder. Angst und Unwillen.

Was bedroht dich denn dabei?

Das ich meinen Mann und meine Kinder verliere, alles was mir wichtig ist.

Ist das immer so wenn du das Haus verlässt?

Nein, nur wenn ich mich so zeige, exponiere.

Und wie könnte das denn geschehen?

Ich könnte aufhören zu existieren, es ist lebensbedrohlich. Sich zu zeigen ist lebensbedrohlich.

Oh, ich verstehe. Wann hast du das schon mal so erlebt?

Oft. Die Lebensgefahr war früher immer vorhanden. Ein falsches Wort, und das konnte es gewesen sein. Es war eine Diktatur, Menschen sind verschwunden, ich habe diese Luft von der allerersten Sekunde an eingeatmet.

Tränen, schütteln, Schauer, das System entlädt. Ich bin in Kontakt mit dieser Atmosphäre der totalen Bedrohung in die ich hineingeboren wurde, die ich im Mutterleib schon mitbekommen habe, die ich auch schon als genetische Information von meinen Eltern mitbekommen habe, die ebenfalls in eine solche Welt hineingeboren wurden. Diese totale Bedrohung war mal real, das kann ich fühlen.

Aber jetzt nicht mehr. Auch das kann ich fühlen.

Langsam beruhigt sich alles. Die Bedrohung existiert nicht mehr. Sie ist nicht real. Ich staune, weil es mir im Augenblick möglich ist das zu fühlen.

Ich wünsche mir den Kurs heute Abend zu genießen, zumal ich heute Unterstützung habe.

Ich entscheide mich dafür es zu genießen.