Spieglein, Spieglein

Zuhause habe ich fast nur Spiegel, die unverschämt dünn wiedergeben. Das war mir bisher gar nicht so klar. Woanders schaue ich auch selten in den Spiegel, zuhause oft und gern. Manchmal wenn ich an einem fremden Spiegel vorbeigehe stutze ich kurz, habe meistens keine Zeit dem näher nachzugehen.

Heute habe ich für den Geburtstag meines Sohnes Eclairs gebacken. Ich war mir so unsicher, wann der Teig nun fertig ist, und da man den Backofen nicht währenddessen aufmachen darf habe ich mich auf dem Boden vor den Ofen gesetzt um das zu beobachten.

Und dabei sah ich mich. In der Backofentür die spiegelt. Schock. Ich sehe so anders aus als ich dachte, aber ich habe endlich so ausgesehen wie ich mich fühle. Die ganze Last, die ich den ganzen Tag mit mir herumschleppe, wurde sichtbar, greifbar. Kein Moment zum Wegschauen. Hinschauen, da ist es das ganze Fett. Da ist sie, die ganze Schwere, da ist es, was dich ständig behindert, belastet.

Während ich mich so voller Neugier weiter betrachtete, mich anders hinkniete, von rechts und von links, von hinten und gebeugt, konnte ich das ganze Mitgefühl fühlen, dass ich für mich habe, so geht es mir, so ging es mir fast mein ganzes Leben, der geschundene, auseinandergegangene, schwere Körper spiegelt mir das in aller Klarheit.

Sanftheit und Verständnis stellen sich ein, ich kann nicht erwarten, dass mein Körper den ganzen Tag fit durch die Gegend hüpft, das kann er in seiner jetzigen Verfassung gar nicht leisten, er braucht so viel Kraft allein um sich zu bewegen.

Jetzt kann ich es wieder deutlich wahrnehmen, die Fetthülle, der Fettanzug, der mich beschwert. Ich kann spüren wie mein Körper ächzt unter der Last. Ich möchte mich mir ihm unterhalten.

Hallo Fett, danke, dass du dich gezeigt hast, dass ich dich heute in aller Deutlichkeit sehen konnte. Danke dass du mich gerettet hast. In nehme dich in Liebe an, jetzt in diesem Moment gehörst du zu mir. Wie geht es dir? Was brauchst du von mir?

‚Ich will nicht hier sein, ich würde gerne gehen.‘

Aber?

‚Aber du lässt mich nicht. Du hältst an mir fest.‘

Weißt du denn wieso?

‚Ja, du hast Angst vor deiner vollen Kraft. Du musst dich fragen, ob du dich vollständig dafür entscheiden willst das zu sein, was du bist.‘

Und was ist das?

‚Das weiß ich doch nicht, das weiß niemand, das wird sich zeigen.‘

Heißt das, dass ich mich bisher nicht vollständig dafür entschieden habe?

‚Nein. Hast du nicht. Du zögerst. Ein Tag ja, ein Tag nein, dir fehlt noch das Vertrauen.‘

Kannst du mir ein Beispiel geben?

‚Ok, ob obwohl du es schon weißt, aber ich sage es dir trotzdem. Heute, hast du etwas gegessen, was du nicht wirklich wolltest, weil du Hunger hattest und dir nichts anderes machen wolltest. Oder, du gehst nicht raus obwohl du Bewegung brauchst usw. du magst das Kleinigkeiten nennen, aber derlei Kleinigkeiten summieren sich. Es ist eine Entscheidung nötig, die Entscheidung hundert Prozent für dich zu gehen, für die Liebe. Du missachtest dich immer noch viele, viele Male am Tag.‘

Ja, du hast Recht.

‚Wie stand es in der Meditation? Vergeude niemals Zeit dir einzureden, du hättest keine Zeit und du wärst viel zu beschäftigt.

Jetzt höre ich den Körper sprechen, er hat etwas dazu zu sagen. Ich höre dich, lieber Körper, danke dass du mir helfen willst, was möchtest du mir sagen?

‚Merkst du nicht wie sehr ich leide? Ich ächze und stöhne. All die Symptome zeigen dir das massive Ungleichgewicht.‘

Doch ich merke es, lieber Körper, auch wenn ich es oft ausblende. Was brauchst du von mir? Wie kann ich dir helfen?

‚Höre auch mich. Hör mir zu, und mache es dann auch. Du verstehst mich zwar, aber du machst es trotzdem nicht, alles bleibt virtuell, gedanklich, unmanifestiert. Meine dringende Bitte an dich ist, bringe es in die Welt. Mache es. Mache es. Ich kann es nicht genug betonen. Das ganze Wissen und Spüren nützt rein gar nichts, wenn du nicht dementsprechend handelst. Wie oft wolltest du eigentlich rausgehen, und wie oft hast du es denn tatsächlich gemacht?‘

Fast nie.

‚Genau. Das ist der Punkt. oder wie oft weißt du, dass du etwas anderes zu essen  brauchst und machst es dir nicht?‘

Oft.

‚Darum geht es. Zu oft. Fast nie ist auch zu oft. Du bist deine Priorität, anders geht es nicht, besonders da du in der Lernphase bist, braucht es viel mehr Aufmerksamkeit.‘

Ok, ich werde darauf achten. Es erst beobachten und schauen welches Ausmaß das hat. Das wird meine Verpflichtung mir selbst gegenüber für morgen. Ich freue mich.