Ganz klar

Lebensfreude 0,25 auf einer Skala zwischen 1 und 100. Genau so ist es. Was stimmt nicht mit mir? Warum können sich andere Leute über die Dinge des Lebens freuen und ich nicht?

Es gibt nichts, nicht ein einziges Wunschszenario auf das ich mein zukünftiges Glücklichsein projizieren kann. Ich bin wunschlos unglücklich.

Ich glaube sogar, ich war noch nie glücklich, zufrieden in Sinne der Lebensfreude. Ich war nur euphorisch, völlig aufgeputscht. Deswegen war es immer genau so auslaugend wie Stress und verlangt nach Essen. Die Maske fällt stetig und was sich darunter zeigt ist ungeheuerlich.

Alle Illusion von Glück war nur ein intensiver Rausch im Himmelhochjauchzend-Modus, oder Beifall des Über-Ichs, weil ich meine Aufgaben so brav erledige, oder, die dritte Variante, Hoffnung, dass Seminar oder Buch Nummer x endlich alles richten wird. Und ganz viel Ablenkung, Lesen, Stricken und natürlich Essen.

Und das alles, alles hat seine Wirkung verloren. Statt Gras nun also Oregano. Nichts wirkt mehr. Ich kann es gar nicht fassen.

Ich werde gezwungen anzuschauen was ohne all dem Firlefanz da ist: Nichts. Graue, klebrige, kalte Leere, ein inneres Kaputtsein.

Eine Gewissheit begleitet mich, dass das nichts ist, dem mit Hinterfragen oder sonst irgendwelchen Kunstgriffen beizukommen ist. Diese ganzen Mittelchen haben ihre Berechtigung, aber hier ist alles Dagewesene wirkungslos.

Hier tut sich etwas auf, was ich nicht kenne, etwas was in einer Sprache zu mir spricht, die ich nicht verstehe. Es will etwas von mir, das weiß ich, aber was? Ich bin wie der zerstreute Professor der stundenlang seine Brille sucht, während sie auf seiner Nase klebt.

Ich ringe um ein Verständnis, dass nicht existiert, ich suche nach Lebensfreude, die ich nicht finde, ich frage Warum? Wozu? Was soll das? und bekomme keine Antwort.

Alles, was ich bisher gelernt habe, war notwendig um mich hierher zu bringen, aber nun kann es mir nicht mehr helfen. Auch das weiß ich.

Dafür dass ich nichts weiß, weiß ich doch eine ganze Menge, fällt mir grad auf.

Das macht es nicht besser. Oder vielleicht doch. Mir fällt auch gerade ein, vielleicht sollte ich einfach aufhören irgendwelchen anderen Leuten irgendetwas zu glauben oder nachzumachen, sondern mich nur noch auf das verlassen was ich weiß. Egal wieso, egal woher, Hauptsache ich weiß es.

Und nun wieder zurück. Was weiß ich?

-Das Alte ist eine Illusion gewesen.

-Die Ablenkung wirkt nicht mehr.

-All die erlernten Strategien können mir nicht mehr weiterhelfen.

-Und jede weitere neue Strategie, die ich heute noch nicht kenne, ebenso.

-Das ist so klar, der Wahnsinn. Es gibt in mir eine Klarheit.

Die soll mein Leuchtturm sein.

Anhand dieser Klarheit richte ich mich aus. Und so lange, bis es klar ist, brauche ich nichts zu tun, bringt sowieso nichts. Das ist klar.

Ich orientiere mich nur noch an meiner eigenen Klarheit und an sonst gar nichts. Wow, das fühlt sich so geil verwegen an, wie mit 15 nachts aus dem Fenster steigen. Unerhört dreist. Es ist das einzig Richtige. Ganz klar.

Ach ja, fürs Protokoll, ich bin so gut gelaunt und leicht und frisch, witzig, wie sich das ändert, die ganze graue kalte Klebemasse ist auch da, mir wurscht.