Lange Weile

Immer wieder holt es mich ein. Was soll ich nur tun?

Wir sind nur zu dritt, mein Mann fährt die Mädchen und kommt erst morgen wieder, und alleine ist es praktisch unerträglich. Hier ist es so leise, alles ist düster und dunkel und kalt und verlassen.

Ich bin dem Leben gegenüber in einer total passiv-reaktiven Position. Ich warte das etwas passiert oder ich wehre mich gegen das was passiert. Aus mir selbst kommt nichts. Das ist einfach so. Früher habe ich mir ununterbrochen Aktionen gesucht, aber auch weil ich es nicht einen Abend alleine zuhause ausgehalten habe.

Allerdings, warum soll ich auch alleine zuhause rumsitzen, wenn ich jung und voller Energie bin? Heute müsste man mich zum Ausgehen prügeln, alles hat eben seine Zeit.

Alles was ich heute aufschreibe ist irgendwie wirr. Hat keinen roten Faden. Ich springe in der Totalverwirrung hin und her. Weiß nichts, weiß nicht wohin oder was.

Muss ich denn eigentlich immer wissen was ich tun soll? Muss es mir immer gutgehen? Kann ich nicht auch einfach mit zwei Kindern allein zuhause sein und mich langweilen?

Doch das darf ich. Was für eine Erleichterung, tausend Tonnen fallen von mir ab. Ich darf nicht wissen was ich machen soll, ich darf hier rumsitzen und mich langweilen.

Mich dünkt, um herauszufinden was ich will und nicht will, muss erst die Verwirrung und das Nichtwissen da sein dürfen. Ich muss so lange bei der Verwirrung bleiben, einfach mit ihr sein ohne sie mit Gewalt verändern zu wollen, bis irgendwann ein Impuls auftaucht etwas zu tun. Und der wird auftauchen, das weiß ich. Nur nicht wann, das weiß ich nicht.

Was mag ich?

Ich muss ganz weit zurück gehen. Zurück zu den einfachsten Basics.

Ich weiß nichts über mich, niente. Ich kenne zwar das System nach dem ich funktioniere, meine automatisierten Reaktionen und Gewohnheiten, aber sonst, gar nichts.

Ich weiß nicht was ich mag und was ich nicht mag, womit ich mich gern beschäftige, was mich interessiert, welches Essen ich vertrage.

Mein Hauptziel ist auf dem Sofa liegen und nichts tun, das kann es nicht sein, dass ich dafür auf die Welt gekommen bin, das ist ganz sicher ein völlig denaturiertes Verhalten. Aber ein anderes Ziel habe ich nicht.

Nein das stimmt nicht, ich habe noch diese Sehnsucht wie Schneewittchen durch die Räume zu fegen und alles sauber zu machen, aber das scheitert an der chronischen Energielosigkeit.

Und das Essen. Mir ist in den letzten Tagen aufgefallen, dass ich morgens, ich frühstücke meistens zwischen 11.00 und 13.00, noch fit und voller Energie bin. Kaum habe ich gegessen, mit viel Hunger und nicht zu viel, fühle ich mich schwer, schlapp und träge, als würde Essen an sich mich irgendwie vergiften.

Heute morgen war es auch so, ich bildete mir ein, die Breze mit Frischkäse würde summen, auf jeden Fall wollte ich alles andere nicht, aber danach, obwohl ich von Hunger maximal auf sechs bin, fühle ich mich müde, habe leichte Kopfschmerzen, fühle mich schwer, habe leichte Kreislaufprobleme. Ein eindeutiges Zeichen, dass mir das Essen nicht bekommt. Kopfschmerzen, Müdigkeit als Zeichen für falsches Essen habe ich von Paunger und Poppe, die die Menschen in zwei Ernährungstypen einteilen. Ihrer Einteilung glaube ich nicht, ist viel zu strikt und kategorisierend, aber die ganzen Symptome, die sie für Unverträglichkeit auflisten, die haben bei mir sofort eine Resonanz erzeugt.

Die drei mittleren Mädchen fahren heute weg. Ich möchte die nächsten drei Tage bewusst hinspüren was das Essen mit mir macht, wie ich mich vorher fühle und wie nachher, ob es einen Unterschied gibt je nachdem was ich gerade esse.

Ganz klar

Lebensfreude 0,25 auf einer Skala zwischen 1 und 100. Genau so ist es. Was stimmt nicht mit mir? Warum können sich andere Leute über die Dinge des Lebens freuen und ich nicht?

Es gibt nichts, nicht ein einziges Wunschszenario auf das ich mein zukünftiges Glücklichsein projizieren kann. Ich bin wunschlos unglücklich.

Ich glaube sogar, ich war noch nie glücklich, zufrieden in Sinne der Lebensfreude. Ich war nur euphorisch, völlig aufgeputscht. Deswegen war es immer genau so auslaugend wie Stress und verlangt nach Essen. Die Maske fällt stetig und was sich darunter zeigt ist ungeheuerlich.

Alle Illusion von Glück war nur ein intensiver Rausch im Himmelhochjauchzend-Modus, oder Beifall des Über-Ichs, weil ich meine Aufgaben so brav erledige, oder, die dritte Variante, Hoffnung, dass Seminar oder Buch Nummer x endlich alles richten wird. Und ganz viel Ablenkung, Lesen, Stricken und natürlich Essen.

Und das alles, alles hat seine Wirkung verloren. Statt Gras nun also Oregano. Nichts wirkt mehr. Ich kann es gar nicht fassen.

Ich werde gezwungen anzuschauen was ohne all dem Firlefanz da ist: Nichts. Graue, klebrige, kalte Leere, ein inneres Kaputtsein.

Eine Gewissheit begleitet mich, dass das nichts ist, dem mit Hinterfragen oder sonst irgendwelchen Kunstgriffen beizukommen ist. Diese ganzen Mittelchen haben ihre Berechtigung, aber hier ist alles Dagewesene wirkungslos.

Hier tut sich etwas auf, was ich nicht kenne, etwas was in einer Sprache zu mir spricht, die ich nicht verstehe. Es will etwas von mir, das weiß ich, aber was? Ich bin wie der zerstreute Professor der stundenlang seine Brille sucht, während sie auf seiner Nase klebt.

Ich ringe um ein Verständnis, dass nicht existiert, ich suche nach Lebensfreude, die ich nicht finde, ich frage Warum? Wozu? Was soll das? und bekomme keine Antwort.

Alles, was ich bisher gelernt habe, war notwendig um mich hierher zu bringen, aber nun kann es mir nicht mehr helfen. Auch das weiß ich.

Dafür dass ich nichts weiß, weiß ich doch eine ganze Menge, fällt mir grad auf.

Das macht es nicht besser. Oder vielleicht doch. Mir fällt auch gerade ein, vielleicht sollte ich einfach aufhören irgendwelchen anderen Leuten irgendetwas zu glauben oder nachzumachen, sondern mich nur noch auf das verlassen was ich weiß. Egal wieso, egal woher, Hauptsache ich weiß es.

Und nun wieder zurück. Was weiß ich?

-Das Alte ist eine Illusion gewesen.

-Die Ablenkung wirkt nicht mehr.

-All die erlernten Strategien können mir nicht mehr weiterhelfen.

-Und jede weitere neue Strategie, die ich heute noch nicht kenne, ebenso.

-Das ist so klar, der Wahnsinn. Es gibt in mir eine Klarheit.

Die soll mein Leuchtturm sein.

Anhand dieser Klarheit richte ich mich aus. Und so lange, bis es klar ist, brauche ich nichts zu tun, bringt sowieso nichts. Das ist klar.

Ich orientiere mich nur noch an meiner eigenen Klarheit und an sonst gar nichts. Wow, das fühlt sich so geil verwegen an, wie mit 15 nachts aus dem Fenster steigen. Unerhört dreist. Es ist das einzig Richtige. Ganz klar.

Ach ja, fürs Protokoll, ich bin so gut gelaunt und leicht und frisch, witzig, wie sich das ändert, die ganze graue kalte Klebemasse ist auch da, mir wurscht.

Feuertiger

Bis eben Geschenke eingepackt im Akkord. Gleich kommen die ersten Kinder aus der Schule, da muss das fertig sein.

Drei Geschenke sind mir irgendwie aus der Bestellliste wieder rausgefallen. Das habe ich erst jetzt beim Verpacken bemerkt, bei so vielen Geschenken habe ich das nicht mehr im Kopf. Für die Post ist es zu spät, wir müssen irgendwann noch in die Stadt fahren und Ersatz besorgen. Ich hasse Einkaufen, der Horror. Ich bin so froh, dass man alles bestellen kann. Und jetzt das.

Ich hatte gerade den Gedanken, meine Mutter anzurufen, dass sie heute Nachmittag kommt, damit ich in die Stadt fahren kann. Das geht nicht, das überfordert mich. Es überfordert mich allein in die Stadt zu fahren. So weit ist es schon gekommen. Zu laut, zu viele Menschen, und das Allerschlimmste: kaum Aussicht auf einen Parkplatz so kurz vor Weihnachten. Und mit der U-Bahn fahren, oh Graus, noch schlimmer.

So sieht es aus. Ich lasse das mal stehen, keine Ahnung was ich machen soll.

Nun bin ich soweit fertig, und sitze wieder da, desorientiert, nicht wissend was ich nun machen soll. Am liebsten hätte ich gern einen persönlichen Gott oder Engel, der mir ständig sagt, was ich jetzt machen soll, worauf es ankommt, entspannen oder Sport, aufräumen oder Urlaub von der Welt. Ich habe keine Ahnung, ich habe keine Verbindung, das macht mich so traurig, ich kenne mich kaum, ich nehme mich kaum wahr.

Das stimmt eigentlich nicht. Wahrer ist, ich will nicht was ich wahrnehme. Ich will mich nicht mehr so fühlen. Ich will auch mal wissen wie es ist sich gut zu fühlen, ist das zu viel verlangt? Kann ich mich auch mal irgendwie gut fühlen?

Aber ich sitze nur da und warte auf irgendetwas, auf den großen Knall oder das große Feuerwerk oder keine Ahnung. Das etwas Wundersames passiert und dann ist endlich alles gut. Für immer gut.

Ein Teil in mir fragt: Und was soll das sein? Was soll passieren? Und wie soll das aussehen, dieses ‚gut‘?

Ich habe keine Ahnung. Ich renne von Pontius zu Pilatus, immer von der Hoffnung getragen, dass jemand endlich alles für mich löst, und sie können mir alle auch helfen, aber alle nur bis zu einem gewissen Punkt. Es bleibt ein Teil des Weges, den mir niemand sagen kann, ja ich weiß, ich muss das allein gehen. Aber ich versteh nicht was das sein soll. Was soll ich tun? Worum geht es?

In der Theorie weiß ich bestens Bescheid. Aus dem Selbst heraus leben, den Wesenskern leben, die Zwiebelschichten entfernen, Schicht für Schicht. Ja, bla, bla, klingt alles super, aber ich weiß im Endeffekt nicht wie das gehen soll.

Ich entschäle und entschäle und entschäle und alles was passiert, ist, dass ich immer mehr merke wie scheiße es mir geht. Vor 10 Jahren hielt ich mich praktisch für fast erleuchtet, und nun weiß ich, dass ich nichts weiß, keinen Zugang zu meiner Lebensfreude habe, in ständiger Angst und Überforderung lebe, nicht weiß was ich hier soll und so DICK bin wie noch nie in meinem Leben außerhalb einer Schwangerschaft.

Kann mir bitte einer mal sagen was das soll???? Wieso meldet sich jetzt niemand? Ich werde doch sonst von Stimmern nur so bombardiert, aus allen Richtungen. In meinem Kopf ist doch sonst immer Markt, jeder schreit ‚hier!‘ und nun, Schweigen? Na los, jetzt redet mal was ihr Superschlautypen, fällt euch nichts dazu ein?

Wie wär’s mit: Noch mehr anstrengen, noch genauer dies und noch genauer an dem entlang und noch die Übung A und B und Z und am besten alle nochmal und…

Im mir wütet der Tiger im Käfig. Er läuft hin und her und hin und her und ab und zu stellt er sich mit den Vorderpfoten an die Gitterstäbe und brüllt alles nieder was ihm in die Quere kommt, und er speit Feuer, er brennt alles weg. Uaarrhhh! Das gefällt mir.

Ich bleibe ein Feuertiger, ich brülle und speie Feuer, alle sollen weg, alle sollen mich in Ruhe lassen, ich will nichts mehr hören, und wenn ich für immer in meinem Käfig bleibe, aber wenigstens in Stille. Haut ab! Das ist mein Käfig und niemand darf ihm zu nahe kommen. Ende.

Es tut so gut, was auch immer für ein Gedanke kommt, ich brülle und brenne ich einfach nieder, ungehört. Sobald die Spannung im Kopf wieder eine Folge von Lauten produzieren will, kommt nur ‚Uuaarrhhhh‘!

Nichts brauche ich mehr. Ich bin der Feuertiger.

Symbiose und Autonomie

Am Wochenende war ich bei jemandem, der mit mir an der Systemischen Selbst-Integration gearbeitet hat, nach dem Muster wie es hier beschrieben ist, etwas abgewandelt, natürlich.

Worum es aber geht, was ich total spannend finde, ist das Bild auf dem es aufbaut, das schamanische Verständnis von Krankheit oder Störung. Im Laufe des Lebens geben wir aus verschiedenen Gründen Seelenanteile an andere ab, am meisten an unsere Eltern aber auch an alle möglichen anderen und bekommen gleichzeitig Anteile, die nicht zu uns gehören. So ist unser Seelenkuchen kein homogenes Gebilde mehr aus lauter Teilen, die zu uns gehören, sondern enthält auch Teile von anderen, während manche unserer Teile fehlen.

Wir geben unsere Energie weg und sind nicht mehr mit unserem Selbst oder Wesenskern verbunden. Langlotz beschreibt das so, dass unsere Fähigkeit zur Selbstabgrenzung, die Verbindung mit dem Selbst und die Integration aggressiver Impulse vermindert ist, während wir zur Kompensation die Überabgrenzung, die Dominanz und die Destruktion ausbilden. Auf seiner Website, die ich auch dauerhaft verlinkt habe, wird alles sehr ausführlich beschrieben, und auch wie man mittels einer Aufstellung das alles wieder auseinander dröseln kann.

Für mich war das ein ganz wichtiger Baustein, denn trotz so viel Arbeit an mir selbst, so viel von diesem und jenem fühle ich mich nach wie vor schwer, energielos und weiß nicht was ich will. Bin verwirrt und orientierungslos.

Ein typisches Symptom von fehlender Abgrenzung ist, dass sobald etwas an einen herangetragen wird, man sich automatisch damit identifiziert, mit Aufgaben, mit Kritik, mit Wünschen und Vorstellungen anderer. Man erschafft einen gemeinsamen Raum in dem die Grenzen verwischt sind und weiß gar nicht, dass der ungeteilte eigene Raum ein Geburtsrecht ist, genau wie die Verbindung mit dem erwachsenen Selbst.

Bei mir kommt diese symbiotische Verschmelzung dauernd vor, es ist mein Thema, ich habe sie bisher mit meiner Mutter, meinem Vater und sogar mit ‚alles was zu tun ist‘ aufgedeckt. Also das was zu tun ist, wird so wichtig, dass es das Selbst verdrängt und sich an seinen Platz stellt. Bei der Aufstellung ist das so was von offensichtlich, das ist erschütternd.

Kein Wunder auch, dass ich meine Lebensfreude auf einer Skala von 0-100 bei 0,25 eingestuft habe. Bei so wenig eigene Energie und so viel Fremdenergie reicht es nur noch zum Funktionieren.

Nach der Sitzung war ich sofort wacher, nicht viel wacher, aber wacher. Und es hält an. Inzwischen habe ich das selbst auch noch mit anderen Personen gemacht, es zeigt Wirkung. Ganz tief innen fühle ich ein kleines Pflänzchen, so ein Gefühl des Da Seins, noch ganz fein, ich fühle mich ein wenig real, ich spüre, wenn auch nur hauchzart, dass ich lebe. Ganz abgefahren.

Ich freue mich grad so, dass ich einen weiteren Baustein bekommen habe, schon so lange hänge ich fest und weiß nicht wie es weitergehen soll, ich habe um Hilfe gebeten und sie bekommen, danke!

In der Ausbildung war das auch schon Thema, meine fehlende Fähigkeit zur Abgrenzung im Kontakt, aber erstens wird da keine Lösung angeboten und zweitens war mir nicht klar, wie elementar das ist, das ist die Basis, darauf baut alles andere auf, kein Wunder, ich baue die ganze Zeit mein Haus auf Sand.

Das erste Mal überhaupt habe ich den Wunsch hier auszumisten und Gerümpel loszuwerden. Bisher ging dieser Impuls immer von meinem Mann aus und er hat es auch allein machen müssen. Für mich undenkbar. Zwar war ich immer fasziniert von Orten an denen es leer und übersichtlich ist, aber bis darauf dass ich mir vor vielen Jahre mal das Buch ‚Feng Shui gegen das Gerümpel des Alltags gekauft habe‘ habe ich sonst nichts gemacht. Jetzt habe ich es wieder hervorgekramt. Bis gespannt.

Regieanweisungen

Ich bin ein wenig kränklich. Seit zwei Tagen. Sehr schwer für mich zu ertragen. Mich körperlich unwohl zu fühlen ist für mich der Horror.

Wieder eine schöne Gelegenheit zur Flucht.

Heute geht es schon ein wenig besser. So gut, dass mir wieder auffällt, wie wenig ich mit mir anfangen kann. Ich stehe daneben, schaue mir zu und staune. Sicher, ich könnte die Küche machen, aufräumen und son Zeug, aber das mache ich alles nur, wenn es nicht mehr anders geht.

Ich könnte die nächsten Minuten, oder auch Stunden, machen was ich will. Und mir fällt nichts ein. Sport geht nicht, zu krank dafür. Schlafen auch nicht, zu wach dafür. Üblicherweise beame ich mich dann weg mit lesen. Das geht auch nicht mehr, seit mir bewusst ist, seit ich gemerkt habe, dass ich mir das nächste Buch oder den nächsten Artikel hole noch bevor ich den vorherigen fertig gelesen habe, damit kein Loch entsteht, damit die Sucht zu ihrem Recht kommt. Immer das Selbe.

Jetzt sitze ich hier und frage mich was nun? An dieser Stelle hänge ich. Das Alte geht nicht mehr, aber etwas Neues ist nicht in Sicht.

Mit fällt grad ein, hier und jetzt ist mein Leben, genau so wie es gerade ist. Ok, also wie ist es gerade?

Schwupp, ist mir schon eine Email eingefallen, die ich noch schreiben wollte. Ein Teil will das bewerten, so nach dem Motto, jetzt drückst du dich vor dem Leben mit neuen Aufgaben, die dir einfallen.

Aber warum eigentlich, warum darf es nicht sein, dass ich ein wenig dies und ein wenig das mache? Warum darf es nicht sein, dass mir nichts einfällt, was ich machen kann? Warum darf es nicht sein, dass ich mich bescheiden fühle? Lustlos? Schwer? Müde? Krank?

In meinem Kopf ist der Teufel los. Ich fühle wie es richtig abgeht, jeder kämpft gegen jeden.

Wenn ich solch unerhörte Fragen stelle kommt mein Gehirn nicht mehr mit. Nicht wie ich bin ist das Problem, sondern das was das Gehirn darüber denkt. Es ist programmiert auf kategorisches Somussessein. Und dabei sehr lern-und anpassungsfähig. Alles was neu dazu kommt, wird sofort in ein absolutes, unter allen Umständen zu befolgendes Prinzip umgebaut.

Gestern muss ich ständig Sport machen, heute soll ich auf keinen Fall Sport machen und morgen muss ich wieder Sport machen, aber NUR wenn ich wirklich Lust habe. Gestern soll ich stark sein, heute soll ich jeder Schwäche nachgeben, und morgen soll ich bitte genau hineinhören ob es notwendig ist oder nicht. Gestern soll ich positiv denken, heute soll ich nicht verdrängen und morgen soll ich dankbar sein und, und, und. Aus allem wird eine Regel, die es zu befolgen gibt, aus allem wird eine Gelegenheit etwas falsch zumachen, aus alles wird Stress es zu schaffen und Unglück wenn es nicht klappt.

Für die Eltern-Kind-Gruppe EntdeckungsRaum gibt es einen Grundsatz: ‚Das einzige Dogma ist kein Dogma‘. Der fällt mir jetzt ein.

Denn genau darum geht es. Die Regeln und Vorgaben Regeln und Vorgaben sein zu lassen, und zu schauen: Wie ist es eigentlich wirklich? Wer oder was bin ich? Was mache ich hier? Wie ist es?

Ich mache eine Meditation in der ich um Führung bitte, darum, dass mir gezeigt wird, was der nächste Schritt ist:

‚Schau es an, schau nicht weg, egal was du siehst. Das ist dein Leben. Du wirst lernen, zu akzeptieren, dass du nicht weglaufen kannst, dass es nichts gibt wovor es wegzulaufen gilt. Deine Aufgabe, dein nächster Schritt ist, die Augen aufzumachen und dich umzuschauen. Mit offenem Blick. Alles ist neu. Schau einfach. Mehr nicht. ‚

Ich beobachte mich am Schreibtisch sitzend, den Kopf nach rechts drehend und darüber nachdenkend. Mir fällt ein, dass ich als Kind viel mit einer solchen Beobachterposition gespielt habe. Ich habe mir ausgedacht wie ich sein will, habe das so auch gemacht, die Rolle gespielt, habe mich dabei aber immer beobachtet und mir selbst Regieanweisungen gegeben. Damals wusste ich noch, dass das ein Spiel ist.

Wer beobachtet, wer gibt die Regieanweisungen? Ist das ganze Dilemma vielleicht nur, dass mein innerer Regisseur verkrustet ist und immer nur das ewig gleiche Drama inszeniert? Vergessen hat, dass alles nur ein Spiel ist?

Das kling schon wieder unerhört, ruft alle EF auf den Plan. Spiel? Inszenierung? Wie kannst du nur mit dem Leben so leichtfertig umgehen? Das Leben ist etwas furchtbar ernstes, total schwer und anstrengend und wichtig und bedeutend. Das wird nicht inszeniert und beobachtet und verändert und gespielt.

Ach so? Was wird es denn dann?

Ertragen.

Oh.

Im Gehirn raucht es wieder. Ich beobachte mich, wie ich versuche alles in eine logische Form zubringen. Geht nicht, ich schüttele mich.

Ertragen bedeutet doch, dass man nichts beeinflussen kann, oder?

Genau. Kann man doch auch nicht.

Doch, sich selbst kann man schon beeinflussen. Wie ich mich verhalte, wie ich antworte auf das was geschieht, das kann ich beeinflussen. Das ist meine Freiheit. Ich muss nicht immer gleich reagieren und das dann ertragen. Irgendwann habe ich mich schließlich für diese Reaktion entschieden. Das kann ich auch wieder ändern. Das ist kein lebenslanges Urteil.

Gefühlt kann ich alles sofort ändern. Ich kann mir immer vorstellen wie ich mich fühlen werde. Mein Mann, ein ganz extremer Kettenraucher, hat vor vier Monaten einfach so mit dem Rauchen aufgehört. So unauffällig, dass KEINER, weder ich, noch die Kinder, noch die Mitarbeiter es bemerkt haben. Mich hat er nach drei Wochen darauf hingewiesen, die Mitarbeiter haben es von einem Kunden gehört, dem ich es erzählt habe, sonst hätten sie es bis heute nicht bemerkt.

Er hat mir erzählt, dass er schon vor über einem Jahr damit angefangen hat sich vorzustellen, wie er sich fühlen wird, wenn er von den Zigaretten frei ist, wenn er nicht mehr darauf angewiesen ist sich bei Wind und Wetter und in jeder Situation draußen hinzustellen. Und irgendwann konnte er aufhören.

Ich finde das faszinierend. Auch wenn meine EF das unter Illusion und Vorspiegelung falscher Tatsachen einordnen. Aber die sind ja sowieso gegen alles Leichte, gegen alles Zauberhafte, gegen alles Spielerische, etwas anderes kann ich von ihnen gar nicht erwarten.

Ich stelle mir jetzt vor, wie ich mich fühlen werde, wenn ich dünn bin. Ich spüre mich kraftvoll und leicht, entspannt und energiegeladen, frei in der Auswahl meiner Kleidung, frei mich zu bewegen, viel zu bewegen. Es ist so schwer sich mit all dem Gewicht viel zu bewegen. Dann habe ich wieder mehr Kraft und kann die Geschmeidigkeit und Beweglichkeit meines Körpers mehr genießen, weil ich sie wieder voll nutzen kann, jetzt wird sie vom Fett gestoppt, es kann eben nur bis zu einem gewissen Punkt zusammengepresst werden. Ach, wie ich mich danach sehne, wieder mit der ganzen Kapazität meines Körpers zu dehnen.

So, der Samen ist in die Erde gesteckt und angegossen. Nun wird das Pflänzchen gepflegt bis es groß und stark ist und Früchte trägt. Ich freue mich schon.

Und noch was: das Beobachten bringt interessante Ergebnisse. Eben musste ich auf die Toilette. Da fiel mir auf, dort fühle ich mich immer wohl, immer anwesend, lebendig. Warum? Weil ich es nicht in Frage stelle, nicht anzweifle, nicht überlege ob es richtig oder falsch ist. Ich kann den Toilettengang als Notwendigkeit annehmen und einfach dabei anwesend sein.

Also ist es möglich.

Woher komme ich?

‚Wenn du nicht mehr weißt, wohin du sollst, erinnere dich woher du kommst.‘ Dieses Zitat (von Thomas Sauter, weiß nicht wer das ist) war im Newsletter meines Ausbildungsinstituts.

Wer war ich als Kind? Was war mir als Kind wichtig? Was habe ich gemocht? Wie waren meine Grundzüge? Lebe ich das heute noch oder habe ich mich weit entfernt?

Denn je weiter wir in die Kindheit zurückgehen, desto unverfälschter begegnen wir unserem echten Wesen. Ganz früh ist das, wie wir gemeint sind, deutlich erkennbar.

In einer Übung in der Ausbildung, haben wir unsere motorische Entwicklung nacherlebt. Wir sind zum Zeitpunkt der Geburt zurückgegangen. Ich habe recht bald eine unglaubliche Bewegungsfreude empfunden, ich wollte mehr, ich konnte es nicht abwarten bis der nächste Entwicklungsschritt angesagt wurde, ich musste schneller sein. Ich fühle mich leicht und kräftig. Bewegungen, die mir im jetzigen Leben Mühe bereiten, haben mir am meisten Spaß gemacht. Als die Übung beendet war, und wieder zurückgezählt wurde, bis zum heutigen Alter, konnte ich spüren, wie mit jedem Jahr, das dazu kam, mehr und mehr Gewicht auf meine Schultern geladen wurde, wie ich immer schwerer und schwerer wurde, bis ich mich wieder so schwer und unbeweglich fühlte wie üblich. Ich musste so weinen, weil es offensichtlich war, das ich ganz anders gemeint war, und ich belastet werde, von was auch immer.

Das ist über ein halbes Jahr her, gestern erst kam mir plötzlich der Einfall meine Mutter zu fragen, wie ich denn war.

Ich habe als kleiner Säugling sehr viel und sehr laut geweint, später mich sehr viel und früh bewegt, konnte ganz früh laufen und sprechen und habe das auch ununterbrochen getan. Später hat mich am meisten Bewegung und Kommunikation interessiert. Ich war immer mit den anderen Kindern zusammen und bei meiner Oma war ich die meiste Zeit bei den Arbeitern und habe mich unterhalten. Und grundsätzlich wollte ich immer führen, allen sagen wo es lang geht.

Genau so habe ich mich in der Übung auch gefühlt. Deswegen musste ich die meiste Zeit meines Lebens so viel trainieren, deswegen habe ich mir damals nur Nebenjobs gesucht in denen man nicht in einem Büro herumsitzen muss. Mit der Gastronomie lag ich damals gar nicht so verkehrt, viel Bewegung und viel Kommunikation. Und jetzt lebe ich praktisch total daran vorbei.

Hauptsächlich sitze ich herum und ich spreche außer mit meinen Familie mit sehr wenig Leuten. Ich habe mich verkrochen. Durch die Ausbildung ist das schon etwas aufgebrochen, aber eben nur etwas.

Aber gut, wohin ich gehen soll, liegt noch im Nebel, aber woher ich komme, das ist sehr deutlich geworden für mich. Etwas belastet und beschwert mich immer noch, wenn auch nicht mehr so stark wir früher. Ich werde Stück für Stück fitter und bewegungsfreudiger.

Jetzt verstehe ich auch, warum ich auf dem Biohof, auf dem ich einkaufe, so von einer starken Sehnsucht gepackt werde. Als sei dort das Paradies.

Weil da Bewegung ist, viel Bewegung, viele Menschen, die zu einem kommen, mit denen man so ein wenig ratschen kann und trotzdem ist man der Chef. Das ist enorm wichtig. So war es auch bei meiner Oma, deswegen habe ich mich so stark mit ihr identifiziert.

In meinem Inneren regnet es ‚deswegens‘, eine Erkenntnis nach der anderen. Nur was fange ich damit an?

Ich weiß es nicht, das muss erst sinken.

Der Frosch im Milchfass

Meine jüngste Tochter ist krank und ich kann nicht zur Therapie. Es ist ok, weil ich sie eh nicht mehr so dringend brauche. Andererseits schreit jemand in mir, weil der Trost und die Aufmunterung wegfallen.

Denn das ist Therapie inzwischen für mich, wie Kaffeetrinken, ich merke, sie können mir nicht mehr helfen, sie wissen nicht mehr als ich. Es gab eine Zeit, da war es anders. Es wird immer klarer, dass nur ich mir helfen kann, ich bin jetzt dran. Aber womit? Wie?

Ich stelle zur Zeit alles auf den Prüfstand. Die Therapien brauche ich nicht mehr, aber ich bin noch nicht soweit ganz aufzuhören, und außerdem muss ich meine Pflichtstunden Lehrtherapie zusammenbekommen. Die Ausbildung selbst, na ja, im Augenblick sehe ich darin kaum Sinn, aber die Seminare machen mir viel Freude, meine Mitstudentinnen mag ich gerne, ich kann das durchziehen auch ohne die konkrete Vorstellung was ich danach damit anfange.

Im restlichen Leben schwimme ich, nein ich strample wie der Frosch im Milchfass. Ich mühe mich und mühe mich um das Allerschlimmste an Chaos und Zusammenbruch abzuwenden, aber keine Butter in Sicht. Untergehen ist aber auch keine Option.

Ich habe mir bei der Geschichte immer gedacht, weiterstrampeln ist doch einfach, es ist ein Zwang, es geht gar nicht anders. Einfach aufhören und sich untergehen lassen, das ist schwer, das geht doch gar nicht.

Andererseits, die Butter will ich auch, wann kommt sie denn? Was ist die Butter und ist das überhaupt möglich? Oder habe ich einfach nicht genug gestrampelt? Aufgeben ist einfach keine Option. Für mich. Vielleicht auch für den Frosch. Vielleicht war er nicht besonders stark, besonders hartnäckig und durchhaltefähig, sondern konnte einfach nicht aufgeben, war gefangen im Zwang immer weiterzumachen, es gab da keine Wahl, und wenn die Butter nicht entstanden wäre, dann wäre er irgendwann an Erschöpfung gestorben.

Vielleicht gilt das für alle, die immer weitermachen, sie können gar nicht anders.

Ich muss weitermachen, genau so wie ich Missstände anschauen muss, ansprechen muss. Was ist das Positive daran? Wie meine Freundin neulich fragte?

Das Positive ist, dass ich weiß wo ich stehe und dass ich alles hier an Ort und Stelle unter genau diesen Gegebenheiten meistern muss. Weglaufen ist nicht. Das Positive ist auch, dass die Gefahr sehr gering ist in fantastische Welten abzudriften und mir eine heile Welt vorzumachen, weil meine Wahrnehmung von Unstimmigkeiten und mein Zwang es anzuschauen mich davon abhalten.

Diese Eigenschaften gehören zu meinem ureigenen Wesen, zur Essenz, das weiß ich. Ich kann sie in die Welt bringen aus Angst oder ich kann sie in die Welt bringen aus Liebe.

Wenn die Angst regiert, dann fühle ich mich eingesperrt, verzweifle ich an der Unmöglichkeit zu entfliehen, dann verzweifle ich an allem Negativem das ich wahrnehme, an allen Fehlern, allen schlechten Absichten, allen Unvollkommenheiten, der Welt an sich.

Alles ein alter Hut, altbekannt, mein Alltag. So, und kann ich mich nun mit der Liebe verbinden und das aus einer anderen Perspektive betrachten?

Ja, es geht. Es kommt eine Gewissheit, dass das mein Weg ist, egal wie er ist, es gibt keinen anderen, hier ist mein Platz auf dieser Welt, bei meinem Mann und meinen Kindern, und alles andere ist absolut nebensächlich. Beruf oder nicht Beruf, Haus oder nicht Haus, dick oder dünn, das ist alles nicht von Bedeutung, nur Firlefanz, Beigabe. Und ich sehe einfach alles, ich bin der Wahrheit verpflichtet, ich habe die Fähigkeit alles zu sehen, ich kann den Schatten ertragen, ich kann dem ins Gesicht sehen, nur brauche ich ihn deswegen nicht größer zu machen als das Licht. Die Liebe sagt, es ist wichtig den Schatten zu sehen, und es ist wichtig das Licht zu sehen. Beides macht das Ganze aus. Beides ist wichtig, sagt die Liebe.

Ich darf das Unangenehme wahrnehmen, ich muss es nicht wegblenden, kann ich eh nicht, und ich darf auch das Positive wahrnehmen, ich muss es nicht durch das Negative entwerten, mache ich dauernd. Das sagt die Liebe.

Ich kann mich in mein Leben hinein entspannen, denn es ist genau das richtige Leben. Ich werde niemals fliehen, also geht es darum das hier anzuschauen und mich hier einzurichten, anzukommen.

Jetzt erst fällt mir auf, dass ich noch gar nicht wirklich angekommen bin. Ich habe das auf später verschoben, wenn alles irgendwie besser, leichter, schöner ist. Aber das wird es nicht. Es ist so wie es ist und für mich gibt es kein Weglaufen, das kann ich nicht oft genug wiederholen, denn bisher war es mir nicht bewusst. Und das kommt aus keiner EF, es ist mein Wesen, das ist gewiss.

Und zu meiner Überraschung ist es total entspannend. Es gibt nichts zu verbessern an meinem Leben, nichts worauf ich warten muss, nichts was ich erreichen muss. Es ist einfach und hier gehöre ich hin. Ende.

Vollkommen?

Auf frischer Tat ertappt. Hänge im Internet sinnlos rum. Eine 30minütige Leerzeit in meiner To-Do-Liste, weiß nicht was tun.

TD für 10 Minuten:

Nichts, nichts, Leere, Leere.

Spannung im Kopf.

Ich weiß nicht was ich tun soll. Zur Küche habe ich keine Lust. Yoga lohnt sich nicht, zu kurz, vielleicht Karten legen, oder Schokolade essen.

Was soll mir das alles geben?

Mich über dieses Nicht-Sein hinwegtäuschen.

Wir fühlst du das?

Ich weiß nicht.

Was fühlst du denn jetzt?

Nichts.

Wirklich?

Es zwickt in der Muskulatur hier und da, meine Füße werden heiß. Ich werde von etwas zusammengepresst und nach unten gedrückt, in der Mitte des Körpers ist ein Gewicht, eine schmerzende Stelle.

Darf das sein, darf das sein, dass ich mich einfach merkwürdig fühle, dass ich es nicht erforschen kann, verbessern kann, verändern kann, dass es einfach so ist?

Was wäre, wenn wirklich alles vollkommen wäre, so wie es ist, genau so wie es ist?

Dann wäre mein komischer Nicht-Zustand auch vollkommen.

Kaum auszuhalten. Nein! So soll es nicht sein! Das will ich nicht!

Ja, und was wäre, wenn auch diese Stimme, die das nicht will vollkommen wäre? Genau so?

Wenn wir einfach mal diese Annahme machen, wenn wir einfach mal dem Leben und seinen guten Absichten vertrauen?

Das ist ja ein totaler Scheiß! Dann gäbe es ja nichts worüber wir uns noch beschweren können, worüber wir uns ärgern können, wogegen wir sein können.

Ja und was wäre, wenn auch das vollkommen wäre? Bis in die Unendlichkeit vollkommen. Alles dagegen, alles Blöde, alles Gute, jeder Widerspruch, jede schlechte Laune, jede gute Laune, jede Magenverstimmung, jeder Essanfall, jedes Gewicht, jedes Durcheinander, jede Ordnung, egal was, alles vollkommen, weil es eben ist.

Wenn es nicht noch irgendwie werden muss, erreicht werden soll, dazu gemacht werden muss, sondern es einfach ist und schon immer war und immer sein wird.

Absurd, sagt der Kopf.

Endlich Ruhe, sagt das Herz.

Der ganze Körper prickelt.

Die Zeit ist um. Nächster Punkt auf der To-Do-Liste ruft.

Was wäre, wenn alles genau so wie es ist, vollkommen wäre? Diese Frage soll mich durch den Tag begleiten.

Die Auster

Ich schaue auf die Frau, die den heutigen Tag erlebt hat. Ich sehe sie am Tisch sitzen, im Gespräch mit einer Freundin, ein sehr schönes und offenes Treffen, und trotzdem, sie schwebt, sie ist nicht verbunden, sie ist sogar so weit weg, dass sie ständig was nachschieben will um diese zappelige Schwebe zu beenden. Um sich zu erden, um zur Ruhe zu kommen. Wie ein Sprinter vor dem Start, aber ein unruhiger, wartet sich sonst angespannt auf….ja auf was denn eigentlich?

Ich merke ‚weg-sein‘ ist mein oberstes Prinzip, mein ‚immer-greifbar-Modus‘. Wenn ich nicht absolut bewusst da bin, dann bin ich weg. Dann schließe ich mich wie eine Auster von der Welt ab, ich ziehe alle meine Sinne ab, ich rieche nichts mehr, ich höre nichts mehr, ich spüre nichts mehr, weder äußerlich noch innerlich, und irgendwann sehe ich nichts mehr, oder nur das allernotwendigste, ich blende aus was sich nur ausblenden lässt.

Und ja, am allerbesten kann ich mich innerlich spüren, durch die jahrelange Übung, ist das inzwischen mein wachster Sinn. Oder vielleicht war es das schon immer. Nur wusste ich nicht was ich damit anfangen soll. Ich hatte aber seit ich mich erinnern kann so ‚Gefühle‘.

Na gut, und jetzt? Je stärker die Ablenkung, desto programmatischer also das automatische Ausblenden. Die Hinbewegung zur Nulllinie.

Ich wollte im Moment anwesend sein. Praktisch nicht machbar, so weit bin ich davon entfernt. Gerade will meine jüngste Tochter meinen Schreibtisch mit Bändern dekorieren. Ich sage irgendwas, Hauptsache sie macht schnell und lässt mich wieder in Ruhe. OH.

Ich versuche mich zu öffnen, den Panzer durchlässig zumachen. Ich spüre die Berührung, ich spüre ihre Begeisterung. Es fällt mir schwer. Ich fürchte mich vor der Intensität meiner eigenen Sinnesempfindungen. Als seien sie gefährlich.

Sind sie gefährlich? Nein, sagt die Stimme, du bist er nur nicht gewöhnt, so viele Jahrzehnte hast du versucht dich unempfindlich zu machen, das braucht einfach Zeit und Übung. Anders geht es nicht. Aber das wird, ganz sicher. Deine inneren Körperwahrnehmungen kannst du inzwischen sehr gut halten, nun kannst du dich der äußeren Welt zuwenden.